: Die Herren der Ringe
■ Michael Jordans Chicago Bulls gewannen die Finalserie der NBA gegen Los Angeles mit 4:1
Berlin (taz) — Ein altes Gesetz der US-Basketball-Liga NBA besagte bislang, daß ein Team, welches Meister werden will, zuvor mindestens einmal in einem Finale zu scheitern hat. So hätte es Magic Johnson, genialer Spielmacher der Los Angeles Lakers, auch diesmal gern gehabt. Fünfmal hat er sich bereits den kostbaren Ring, den die Champs der NBA bekommen, an den Finger stecken dürfen, zu gern hätte er es ein sechstes Mal getan. Doch Michael Jordan, sprunggewaltiger Star der Chicago Bulls, ist zwar gut befreundet mit Magic Johnson, seit sie sich bei einem Mike-Tyson-Boxkampf näher kennenlernten, mochte aber dennoch nicht länger auf seinen ersten Titel warten. „Ich habe ihn gebeten, mich erst zum sechsten Mal gewinnen zu lassen, dann könne er gern zum ersten Mal siegen“, erzählt Johnson, „aber er hat nicht akzeptiert.“
Ähnlich unkooperativ zeigte sich Jordan den Lakers gegenüber auf dem Spielfeld. Seine spektakulären Drives zum Korb und seine präzisen Pässe waren es vor allem, die den Bulls den Weg zum 4:1- Triumph im Final-Play-off ebneten. Nachdem die Lakers die erste Partie in Chicago knapp gewonnen hatten, bekamen sie im zweiten Match eine wahre Lehrstunde verpaßt. Mit 1:1 ging es nach Los Angeles und hier holte Michael Jordan mit seiner „Hilfstruppe“, wie er seine Mitspieler gern nennt, zum großen Schlag aus. Die versammelte Hollywoodprominenz um Jack Nicholson und Dustin Hoffman im nur wenige Meilen von Beverly Hills entfernten „Great Western Forum“ von Inglewood, traute ihren Augen kaum, als sie mit ansehen mußte, wie ihr Team drei Spiele in Folge verlor, das letzte und entscheidende am Mittwoch mit 101:108.
Schlüssel zum Erfolg der Bulls war vor allem die exzellente Defensive. 106,3 Punkte hatten die Lakers im Durchschnitt während der regulären Saison, 108,2 in den Play-offs gesammelt. Die Bulls hielten sie in den ersten vier Matches bei 89,3 Punkten, nur im letzten Spiel kam L.A. über die 100- Punkte-Marke. Diese karge Korbausbeute lag hauptsächlich an der glänzenden Bewachung, die Chicago dem Lakers-Inspirator Magic Johnson angedeihen ließ.
Kaum bekam Johnson den Ball, stand auch schon Michael Jordan, manchmal auch Scottie Pippen, mit weit ausgebreiteten Armen vor ihm, während die anderen Lakers- Angreifer hauteng gedeckt waren. Derartig unter Druck gesetzt, konnte Johnson nicht wie gewohnt den Rhythmus des Spiels bestimmen.
„Wir schalten Magics Vision für diese rasiermesserscharfen Pässe aus, die er so gern wirft, und die deinen Abwehrspielern einen neuen Haarschnitt verpassen“, freute sich Assistenztrainer John Bach. Und Center Bill Cartwright ergänzte: „Er verfehlt nie den freien Mann. Aber nun gibt es keinen freien Mann.“ Lediglich der riesige jugoslawische Center Vlade Divac, Europas bester Basketballer, der dennoch zwei Jahre brauchte, um sich im Lakers-Team durchzusetzen, konnte sich in der Bulls- Abwehr einigermaßen behaupten. Er war der einzige L.A.-Spieler, der in den ersten vier Partien eine Trefferquote von über 50 Prozent erreichte (61,4).
Im fünften Spiel war jedoch auch von Divac nicht viel zu sehen. Dafür kamen die beiden Ersatzleute Elden Campbell (21 Punkte) und Tony Smith (11) erstaunlich gut zur Geltung und es ging wesentlich knapper zu als erwartet. Magic Johnson, der bis dahin mit einem Schnitt von 10,5 assists (Pässen, die zum Korberfolg führen) sogar in seiner ureigensten Domäne schlechter stand als Michael Jordan, gelangen 20 assists und bis kurz vor Schluß konnten die Lakers das Match offen gestalten. Dann jedoch kam die neue Stärke der Chicago Bulls zum Tragen.
„Wir sind nicht die Jordan Bulls, sondern ein Team“, sagte Michael Jordan nach dem Triumph und traf den Nagel auf den Kopf. War früher das gesamte Spiel einzig und allein auf ihn zugeschnitten, springen heute andere Spieler in die Bresche, wenn der Superstar durch konsequente Doppeldeckung gebremst wird. Den 30 Punkten Jordans fügte Scottie Pippen stolze 31 hinzu, Matchwinner war jedoch John Paxson, neben Divac und Perdue der einzige Weiße auf dem Feld. Als es vier Minuten vor Schluß 93:93 stand, traf er dreimal in Folge, von den fünfzehn letzten Punkten der Bulls machte er zehn.
Dennoch, die zentrale Figur der Play-offs, in denen die Bulls gegen die New York Knicks, die Philadelphia 76ers, die Detroit Pistons und die Los Angeles Lakers insgesamt nur zwei Spiele verloren, war Michael Jordan, der auch zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt wurde und mit 28 Jahren nun am Ziel seiner Träume angelangt ist. Während seine Mannschaftskameraden gerade die Entdeckung machten, wie wunderbar es aussieht, wenn man Jordan literweise Champagner über den kahlen Schädel gießt, war Vlade Divac immer noch schwer beeindruckt. „Kann springen“, schwärmte er in seinem kuriosen Holper-Englisch, das mittlerweile in ganz Los Angeles begeistert parodiert wird. „Oh my. Alle kommen runter, er bleibt oben.“ Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen