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Absolute Mehrheit für Boris Jelzin

■ Bei den russischen Präsidentschaftswahlen erhielt der Favorit Jelzin 55 Prozent der Stimmen/ Auch die Bürgermeister Moskaus und Leningrads, Popow und Sobtschak, in Direktwahl bestätigt

Moskau (apf/ap/dpa/taz) — Boris Jelzin hat es im ersten Anlauf geschafft. Nach vorläufigen Angaben der Wahlkommission hat der russische Parlamentspräsident bei den Präsidentschaftswahlen in der Russischen Föderation mit etwa 55 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit erhalten. Ein zweiter Wahlgang erübrigt sich damit. Jelzins schärfster Konkurrent, der frühere sowjetische Ministerpräsident Nikolai Ryschkow, landete mit 20 bis 30 Prozent deutlich abgeschlagen. Die übrigen vier Kandidaten können unter „ferner liefen“ verbucht werden. Der Chef der Liberaldemokratischen Partei, Wladimir Schirinowski, der mit russisch-nationalistischen Parolen in den Wahlkampf gegangen war, erhielt nach ersten Teilergebnissen der Wahlkommission 5,9 Prozent. Für Aman Tulejew, einen sibirischen KP-Funktionär, stimmten 4,8 Prozent, für den früheren sowjetischen Innenminister Wadim Bakatin stimmten 3,9 Prozent und für den ultrakonservativen General Albert Makaschow 3,3 Prozent. Stimmberechtigt waren 104 Millionen Bürger der Russischen Föderation, in der neben 83 Prozent Russen auch eine Vielzahl finnisch- ugrischer, kaukasischer, iranischer, mongolischer und anderer Völkerschaften in Autonomen Sozialistischen Sowjetrepubliken lebt.

Gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen wurden in den beiden größten russischen Städten, in Moskau und Leningrad, die Bürgermeister gewählt. In Moskau erreichte das amtierende Stadtoberhaupt Gawriil Popow, in Leningrad Anatoli Sobtschak, ebenfalls bisher schon Bürgermeister eine absolute Mehrheit von knapp über 60 Prozent. Beide gehören wie Jelzin der Bewegung Demokratisches Rußland an.

Die zentrale Wahlkampfleitung gab am Donnerstag morgen die Ergebnisse aus einigen Großstädten bekannt. Demnach hat Jelzin in Moskau 75, in Leningrad 70 und in seiner Heimatstadt Swerdlowsk sogar 90 Prozent erreicht. Der russischen Informationsagentur 'ria‘ zufolge war Jelzin in fast allen Regionen Rußlands und bei fast jeder Wählergruppe erfolgreich. Danach lag er in Ostsibirien, Zentralrußland, Industrie- und Kohlegebieten und sogar in den militärischen Sperrgebieten mit knapp 50 Prozent vorn. Auch auf den Weltmeeren erwies er sich als unschlagbar. 81 Prozent der weltweit kreuzenden 156 Besatzungsmannschaften stimmten für ihn. Einen deutlichen Einbruch mußte Jelzin jedoch in Wladiwostok hinnehmen, wo er nur 37,6 Prozent der Wählerstimmen erringen konnte. Dort ist die Kommunistin Swjetlana Gorjatschewa, eine scharfe Kritikerin Jelzins, zu Hause. Im Kohlerevier des Kemerowo-Gebiets konnte der aus der Region stammende Tulejew einen Achtungserfolg mit 37 Prozent der abgegeben Stimmen verbuchen. Trotzdem hatte auch hier Jelzin mit 52 Prozent die Nase vorn.

Am Mittwoch wurde bekannt, daß Gorbartschow persönlich Attacken des staatlichen Fernsehens auf Jelzin verhindert hat. Gorbatschow habe am Dienstag beim Chef des Staatsfernsehens angerufen, so hieß es in einem Fernsehbericht, um eine Reihe von Beiträgen gegen Jelzin zu stoppen. In den vergangenen Tagen hatten die zentralen Medien Moskaus mit einer massiven Kampagne versucht, Jelzin unter anderem in Verbindung mit der italienischen Mafia zu bringen. Die 'Prawda‘ hatte am Montag ein Psychogramm Jelzins veröffentlicht, in dem dieser als „seelisch labil, geistig beschränkt, machthungrig und emotional“ beschrieben wurde. thos

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