: Roaring Kev
■ Kevin Coyne, Stimmungmacher, im KITO / IG Metall Geburtstagskonzert
Auch wenn es sich so anhörte: Joe Cocker war nicht im Kito in Vegesack. Der knurpelige Kevin Coyne mit dem großen Kopf war's, der sich oft genug Mühe gab, so zu klingen wie der nicht minder trinkfeste Cocker. Aber das machte gar nichts, denn was der Entertainer Coyne auf dem Dachboden der ehemaligen Wellpappen-Firma „KIstenTOd“ den gut einhundert BesucherInnen bot, war Hörvergnügen erster Güte. Zu jedem Song hatte er launige Geschichtchen beizutragen, in denen er sich als Durch-und- durch-Brite darstellte, der er eigentlich gar nicht mehr ist: Er lebt immerhin seit achtzehn Jahren in Nürnberg.
Mr. Coyne ist kein Stimmwunder, das weiß er selbst, aber wenn er sich gutgelaunt (“ich weiß selbst nicht warum“) mit röhrendem Organ sogar in dreckige Blues-Tiefen a la Captain Beefheart begab, dann war er nicht zu halten. Uralt-Klopfer wie Riverside kleidete er in ein jazziges Gewand, und aus dem Liebes-Evergreen Take me back in your arms (“Meiner 15. Frau gewidmet“) modulierte little Kev ein butterweiches Schmalzstück. Die Sangesfreude des 1.FC Nürnberg- Fans (“Euer Rehagel, das ist ein Sch...“) schien grenzenlos. Takin' a trip geriet da zur Ode an sein Heimatland (“A little crazy island made for people like me“).
Kevin Coyne hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Fuck the millionaires hatte da genauso Platz in seinen Betrachtungen über die Welt wie das übelriechende Hinterteil eines George Bush. Der aufrührerische Charme des Engländers ist nicht anbiedernd, das ist sein großes Plus. Was er sagt, meint er, egal wie andere das finden. America gerät so zu einer Hymne, einem Liebeslied an die alte Welt Europa. Er windet sich vor seinem Mikrophon mit hochrotem Kopf, stiert mit großen Augen von der kleinen Bühne und singt freimütig: „I don't wanna go to America, I'm quite happy here“. Ohne Pause findet er den Übergang zum „völlig untalentierten Klaus Lage mit dem Gehirn eines Charles Bukowski“ und schon ist er mittendrin im famosen Gitarren-Spiel von Hans Pukke, einem seiner selbstlosen Begleiter.
Wer anfangs dachte, die Paradise Band, (außerdem: Friedel Pohrer, b; Martin Müller, dr; Henry Beck, kb) würde über die Rolle der bloßen Zulieferer nicht hinauskommen, hörte sich angenehm getäuscht. Das Quartett erwies sich als feinfühlige Instrumentalisten, die es ihrem Chef so leicht machten wie möglich. Aber wenn in den Bluespassagen Solokönnen gefordert war, versteckten sie sich nicht. Den begeisternden, in jeder Beziehung wohlgelungenen Abend rundete das wunderbar rockige Pretty Park ab.
Pleased J.F.
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