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Ein Treffen alter Männer

■ Das Funkemariechen Ulla Hahn und seine Prinzengarde

Als Klein-Ulla fürs erste genug gespielt hatte mit ihren schönen bunten Spielsachen, erhob sie den Blick und schaute sinnend um sich. Bei Prinzen sonder Zahl war Ullala auf dem Schoß gesessen, bei Günther und Stephan und Marcel und Klaus, jeder hatte sie auf seine Weise beschenkt, doch keiner sie heimführen wollen in sein Reich. Dabei wäre Feinsliebchen so gern Frau Bürgermeister geworden oder Frau Nationalpreisträger oder wenigstens Literaturredakteurin bei der 'Zeit‘, allein, es wollte ihr nicht gelingen.

Da keiner sie erhören mochte, war sie endlich auch ihre schönen Gedichte leid. Trotzig stampfte Ulla-Kind auf den Boden; von Stund an wollte sie sich auf eigene Füßchen stellen. Wenn sie schon Frau Hahn bleiben mußte, konnte sie genauso gut einen Roman schreiben, in dem sie ihren Ärger auf die feigen Männer herausspie. In dem Prosagärtlein „Ein Mann im Haus“ erzählt sie deshalb von dem Mann Hansegon, dem seine dicke Frau lieber war als die Goldschmiedin Maria. Die gekränkte Maria fesselt den unentschlossenen Küster mit Armen und Beinen an ihr Bett; so kann sie ihn abwechselnd bemuttern und besteigen. O, wie sie ihm mitspielt! Sein Mund ist geknebelt, sein gutes Stück würgt sie mit einer Locke ihres Haars, läßt ihn gar das gemeinsame Lager verunreinigen. Erst als sie ihn ausgiebig gedemütigt hat, er ihr endgültig hörig ist, wirft sie ihn in der kalten Vorweihnachtszeit aus ihrem Wagen. Soll ihn doch die Ehefrau haben.

Wie im richtigen Märchen, wo nur das Wünschen weiterhilft, wurde Prinzeß Ullas Liebeswerben erhört. Gleich drei tapfere Schneiderlein erwählten sich „Ein Mann im Haus“ zum Kopfkissenbuch. Zwei gesetztere Herrschaften waren es, Joachim Kaiser von der 'Süddeutschen‘ und Rudolf Walter Leonhardt von der 'Zeit‘, sowie ein Ehren-Senior, Frank Schirrmacher von der 'FAZ‘, die Kippfigur seines logorrhierenden Vorgängers Reich-Ranicki, den es bei der Gelegenheit gleich als mesmerisierten Lobpreiser der Ulla zu anzurempeln galt. Mit wahrer Inbrunst warfen sich die drei Literatur-Altersheimer auf das Büchlein und seine Autorin. Der eine bejubelte eine gutgelaunte, konkret ausgepinselte Fesselungssauerei, der andere jauchzte kundig über Kassiber aus der Innenwelt, eine psychoanalytische Fallstudie, der dritte schließlich sprach offen aus, warum er das Romängen — ebenso wie seine Spießgesellen — nur mit einer Hand lesen konnte: Sie liegt vor mir, gewissermaßen, mit Goldreifen an ein Bett gefesselt ... die Position der Autorin vor ihrem Kritiker.

Aber ja, beeilt sich der Fleischbeschauer seinen verstärkten Speichelfluß zu erklären, natürlich schätze er die Gefühle, die jugendlicher und feministischer Emanzipation zugrunde liegen, sehr hoch, jedoch [ächz!] handle es sich bei Ullas Orgie um ein Gebilde, in dem das alles beherrschende Thema Sex eher prüde ... abgehandelt wird [seufz!]. Die Menschen und Zustände [stöhn!], die sie schildert [,] gibt es nur als Klischee, raunzt der Ehren-Greis, während dem dritten in der Altherrenrunde ganz fatal zumut wird, weil die unlüsterne, direkte Kraßheit [umpf!] außerhalb des Bezirks von verbindlicher Literatur bleibt.

In der üblichen postkoitalen Tristesse stehen die drei Chef- Erotiker um das Bett der Fesselungskünstlerin herum. Der eine, demütig geworden, glaubt zu verstehen, der andere ist vergnügt-

erschrocken, der dritte fühlt sich mit den treuesten Lesern geschändet. Ulla aber, das Königskind, dreht sich um in seinem Bettchen und drückt den alten Teddy an die Brust.

Willi Winkler

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