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Japan laut CIA-Studie „eine amoralische Kultur“

Im Auftrag der CIA erstellte Studie beschreibt Japan als rassistische und undemokratische Weltmacht der Zukunft  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Japan 2000, so lautet der unverdächtige Titel einer für den amerikanischen Geheimdienst (CIA) erstellten Studie, in der die Japaner als „rassistisch“, ihr politisches System als „nicht demokratisch“ und ihr globaler Machthunger als verantwortungslos beschrieben werden.

Der Bericht einer achtköpfigen Studiengruppe, bestehend aus akademischen Japan-Experten und ehemaligen US-Firmen-Chefs, malt außerdem das Gespenst einer japanisch-sowjetischen Allianz an die Wand. Der US-Geheimdienst wird darüber hinaus gewarnt, daß die USA bei steigendem Haushaltsdefizit ihre Fähigkeit verlieren könnte, in Zukunft ohne Einwilligung Japans Kriege zu führen.

Das vom „Rochester Institute of Technology“ zusammengestellte Strategiepapier für die CIA ist dabei schon die entschärfte Version einer Rohfassung, deren Existenz im Mai von der Lokalzeitung 'Democratic and Chronicle‘ enthüllt worden war und die der taz in Auszügen vorliegt. In diesem 175seitigen Machwerk werden die Japaner als „Kreaturen einer alterslosen, amoralischen, manipulativen und kontrollierenden Kultur“ beschrieben, die durch den geschickten Einsatz von Propaganda und wirtschaftlicher Macht in einer Verschwörung die globale Dominanz anstrebt.

Die Urfassung, so der Japan-Experte T.J. Pempel von der Cornell- Universität, sei „voller fahrlässiger Behauptungen und faktischer Irrtümer“ und habe „die Balance einer neugeborenen Giraffe auf Rollschuhen“. Wenn man das Wort „Japaner“ durch das Wort „Juden“ ersetze, so die Biologie-Professorin und Vorsitzende einer Anti-CIA- Gruppe auf dem Campus, Jane Douthright, „dann haben wir hier so was wie die Nazi-Literatur aus den 30er Jahren vorliegen“.

Auch aus der in der letzten Woche veröffentlichten, bereinigten Fassung der Studie spricht die ganze Angst der Noch-Weltmacht vor der Noch-nicht-ganz-Weltmacht, der es in ihrem Streben nach ökonomischer Dominanz angeblich an globaler Verantwortlichkeit mangelt; womit wohl das moralische Sendungsbewußtsein der Vereinigten Staaten gemeint ist. „Die Werte, die das japanische Paradigma prägt, sind per definitionem nicht dazu ausersehen, auch dem Rest der Welt zu nutzen“, so warnt die Studie.

Nachdem der als Autor verantwortliche Stellvertretende Direktor des RIT, Andrew Dougherty, nach der Veröffentlichung der Studie bereits seinen Hut nehmen mußte, ist sein Chef, RIT-Präsident Richard Rose, derzeit noch bemüht, den Schaden durch die Studie, zu deren erster Fassung er immerhin das Vorwort geschrieben hatte, zu begrenzen. Rose plant nun eine Reise nach Japan, um sich dort für das mißlungene Produkt seiner Universität zu entschuldigen. Immerhin wird das „Imaging Science Center“ seiner Universität von fünf japanischen Firmen mitfinanziert.

Die Publikation der Japan-Studie sowie eine Artikelserie des 'Democrat and Chronicle‘ hat nun in Rochester im Bundesstaat New York zu einer heftigen Debatte über die langjährigen und engen Verbindungen des RIT mit dem Geheimdienst geführt, deren Ausmaß vielen Studenten gar nicht klar war. Da betrieb die CIA ein eigenes Stipendiatenprogramm für Studenten und zukünftige Spione mit einer „angemessenen Haltung“. Da arbeiteten Studenten — rein wissenschaftlich, versteht sich — an Fälschungstechniken für Pässe und Führerscheine. Und da mußte RIT-Präsident Rose im April zugeben, daß er sein Forschungssemester im Frühjahr als Golfkriegsberater im CIA-Hauptquartier von Langley verbracht hatte.

Unter Rose scheint sich das RIT nach dem Ende des Kalten Krieges auf die Kreation neuer Feindbilder spezialisiert zu haben. Ehe jetzt den Japanern in einer Anspielung auf Pearl Harbor eine „ökonomische Attacke, von der sich die USA nicht mehr erholen könnten“ unterstellt wird, hatte die letzte RIT-Studie mit dem Titel Changemaster bereits das zukünftige Aufgabenfeld für die CIA beschrieben: Wirtschaftsspionage gegen die Handelspartner der Vereinigten Staaten.

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