: 35.000 Wanzen im britischen Telefonnetz
■ Für teures Geld bietet die britische Telefongesellschaft einen Abhörservice für den Geheimdienst
Dublin (taz) — Der britische Geheimdienst MI-5 hat viele Ohren: Nach Schätzungen von Experten sind im vergangenen Jahr 35.000 Telefone abgehört worden — mehr als je zuvor. Die offizielle Zahl wird von der Regierung geheimgehalten. Bekannt ist nur, daß das Innenministerium 1990 in 539 Fällen entsprechende Gerichtsverfügungen erwirkt hat. Das ist vermutlich nur die Spitze eines Eisbergs: Die Zahlen für Nordirland und die Operationen auf Antrag des Außenministeriums sind weiterhin geheim. Ohnehin wäre die Zahl der Verfügungen kaum aufschlußreich, da sie für eine ganze Organisation oder für den Verwandten- und Bekanntenkreis des Belauschten gelten kann.
Die „geheimen Eichhörnchen“, wie die Abhörspezialisten von der Telefongesellschaft „British Telecom“ genannt werden, schleichen sich nachts in die Telefonzentrale, um die Wanzen anzubringen, oder stören bestimmte Leitungen so lange, bis der Kunde den Reparaturdienst verständigt. Bei dieser Gelegenheit bringen die „Eichhörnchen“ dann Geräte an, mit denen Unterhaltungen in der Wohnung abgehört werden können, ohne daß das Telefon benutzt wird. Vier Fünftel aller Fälle hängen mit der „nationalen Sicherheit“ zusammen, bei 60 Prozent bleibt die Schnüffelei ergebnislos.
Für British Telecom ist der Spitzeldienst ein lukratives Geschäft mit Zuwachsrate. Über hundert Ingenieure zeichnen die Gespräche auf Band auf und leiten sie an die Kunden— Geheimdienste, Polizei, Zoll — weiter. Die Regierung muß dafür über zehn Millionen Pfund (circa 30 Millionen Mark) im Jahr hinblättern. Kein Wunder, daß ein Telecom-Forschungsteam an der Verbesserung des Services arbeitet. Nach der vollständigen Digitalisierung des Telefonnetzes Mitte der neunziger Jahre können die „Eichhörnchen“ zu Hause bleiben: Das Abhören wird dann automatisch vom Kontrollzentrum in Oswestry gesteuert und kann mit Hilfe von Schlüsselwort- und Stimmerkennung praktisch auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden. Ruf mal wieder an. Ralf Sotscheck
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