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MONTAG

Da ist er nun, der 17.Juni, erstmalig wieder ein ganz normaler gesamtdeutscher Arbeitstag. Doch so ganz unbesehen wollen die Rundfunkanstalten diesen ausgedienten Mahntag an die deutsche Einheit nun auch nicht verstreichen lassen. Einen ganz interessanten Aspekt zum 17.Juni hat sich der Deutschlandsender Kultur herausgepickt und stellt die berechtigte Frage: Was machte der gute Bertolt Brecht an jenem denkwürdigen Tag? Ganz sicher ging er wie jeden Sommertag in den Wäldern seines Buckower Idylls spazieren. Er dichtete den Ruderern am Schermützel-See so manch Symbolisches an — aber so wie sonst genoß er die paradiesische Ruhe wohl auch nicht. Was sich in seinem Kopf abspielte, und wie er den ewigen Kampf zwischen Kunst und Politik führte, untersuchte das Autorenduo Mathias Eckoldt und Tom Peukert. Sie stöberten im Tagebuch des großen Brecht, trugen Protokolle und literarische Zeugnisse zusammen. Abschließend segneten sie ihre Funde wissenschaftlich durch Gespräche mit den Brecht-Biographen Werner Mittenzwei und Bärbel Wallburg ab. Auf fertige Antworten verzichtet das Feature: Jede/r HörerIn mache sich ab 22.15 Uhr selbst einen Reim auf Brecht in Buckow.

Ganz anders geht S2-Kultur mit diesem Tag um und betrachtet Den schwarzen 17.Juni und die deutsche Einheit im Spiegel der Satire. Was da ab 23 Uhr erzählt wird, wenn brave BürgerInnen schon im Bettchen liegen, sieht so aus: Es war einmal in Deutschland, da bastelte Honecker sich aus Trabiresten ein Flugzeug und beging Republikflucht. Sein Nachfolger Krenz ließ vor Schreck die Mauer fallen. Berlin erblühte zur Hauptstadt und im neugegründeten Helmut-Kohl-Museum erzählt der Kanzler als Sprechautomat seine schönsten Anekdoten. Heino spukte in Dresden. Genscher trat in seiner alten Heimat als Minnesänger auf, und alle suchten gemeinsam nach dem Einheitsgold. Eine schöne blöde Revue also, die der Kanzler höchstpersönlich moderiert...

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