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Neonazis marschieren ungeniert

■ Rund 2.000 Rechtsradikale demonstrierten in der sächsischen Hauptstadt Dresden ihre Stärke/ Größter Nazi-Aufmarsch der Nachkriegsgeschichte/ Angolaner in Friedrichshafen von Skinhead erstochen

Dresden/Berlin (taz) — Etwa 2.000 Neonazis zogen am Samstag ungeniert durch die Dresdener Innenstadt. Ohne große Störungen bewegte sich die angemeldete und vom Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) genehmigte Demonstration zu den Elbwiesen, wo eine Abschlußkundgebung stattfand. Die überwiegend jungen Rechtsradikalen waren aus ganz Deutschland und Österreich, aber auch aus anderen europäischen Ländern zusammengekommen. Eine von von sächsischen Politikern eiligst angekündigte Gegenkundgebung fand nicht statt. Die Polizei, die mit 1.600 Beamten vertreten war, hielt sich weitgehend zurück. Im Verlauf der Nazi- Versammlung wurden 41 Personen — größtenteils wegen der Verwendung verbotener NS-Symbole — festgenommen. Zu den befürchteten Auseinandersetzungen kam es jedoch nicht. Anlaß für den größten Nazi-Aufmarsch der Nachkriegsgeschichte war der Mord an dem Rechtsradikalen Rainer Sonntag, der am gleichen Tag beigesetzt wurde. Am Grab würdigten führende Rechtsradikale den Verstorbenen als „Held und Vorbild“. Sonntag sei nicht umsonst den „Opfertod für das Deutsche Reich“ gestorben.

Die Demonstration zog als „Schweigemarsch“ unter Trommelschlägen durch Dresden. Ungestört konnten die Rechtsradikalen die Reichskriegsflagge und andere einschlägige Fahnen schwenken. Vor dem Kino in der Neustadt, an dem Sonntag erschossen worden war, skandierten die Neonazis „Sieg Heil“ und „Ausländer raus“ und erhoben den Arm zum Hitlergruß. Sie drohten: „Wir kriegen Euch alle“ und „Rache“.

Unterdessen wurde in Friedrichshafen am Bodensee ein 34jähriger Angolaner von einem der Skinhead-Szene zugerechneten Jugendlichen erstochen. Nach Polizeiangaben waren die beiden in einer Gaststätte in Streit geraten. Der Tatverdächtige wurde wenig später festgenommen. REPORTAGE SEITE 4

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