Zwei Haken für die Behaglichkeit

■ Hängematte verdrängt Hochbett: Ein Plädoyer gegen die Zweckentfremdung eines Sommermöbels

Früher war alles noch schön und normal: In der Vorstellung hing bewegungslos die Hängematte des Nachts im Bauch gefährlich schwankender Schiffe. Oder sie hing im Garten oder auf dem Campingplatz, einen Sommer lang zwischen zwei Bäumen, deren Köpfe immer mehr zueinanderfanden. Die Hängematte war Ausdruck eines wunderschönen Sommers. Immer war die Hängematte draußen.

Immer noch ist sie dort draußen in Thailand, Burma oder Indonesien, den Hängemattenlieger zu schützen vor allerlei Schlangen, die auf dem Boden gefährlich zischen. Ein Äffchen macht sich's auf dem Bauch des Liegenden bequem, lächelt blöde, und treibt allerlei Schabernack.

Doch irgendwann in den Achtzigern fand die Hängematte häufiger hinein in die Wohnung — als Möbel. Wo die Erde zu schnell sich drehte, das Haus zu wackeln drohte, Psychoanalytiker oder Apokalypsen gefragt waren, sollte sie Ruhe bewahren. Das Innere war bedroht, das Äußere schien die, die doch nun so allmählich zu Geld gekommen waren, zu ängstigen. Auch sollst du nach der Arbeit ruhn oder tausend Schritte tun. Das Hochbett, unter dem soviele noch einmal wie Kinder beschützt, sich zärtlich im Dunklen mit ihrem Körper verbünden konnten, hatte ausgedient.

Die Hängematte hat zwar nichts in geschlossnen Räumen zu suchen, doch sie kam in immer kostspieligeren Ausführungen, die alle nur schlecht den grundsätzlichen Fehler vertuschten. In geschlossenen Räumen, in den Wohnungen, im erstickenden Fauteuil junger BürgerInnen, dient sie dazu, einen besonders verkrampften Narzismus zur Schau zu stellen. Wie alte Menschen finden die Hängemattenbesitzer nicht mehr in den Sommer hinein: Sie spannen die Matte vor's Fenster und gehen nie mehr hinaus. Aus dem Symbol des Sommers, dessen Holz verwittern mußte, um glaubhaft zu sein, ist ein trauriges Bild gutbürgerlicher, zuweilen auch rührender Gestörtheit geworden. Oft hängt die Hängematte aber auch nur da, um herrisch allen zu verkünden: Wir können uns amüsieren. Doch mit wem bloß, wenn sich die Neugierde und das Vergnügen nur auf's häusliche Innere beschränkt?

Die etwas unsichere Behaglichkeit bequemt sich in die Hängematte, um nichts mehr zu erwarten. Nicht selten ist die Behaglichkeit jedoch zu schwer. Die Hängematte reißt entzwei. Zwei starke Haken halten nur noch Fetzen in ihren Händen. Oder: Wenn der Verlobte kommt, neigen sich die morschen Wände. Das Haus fällt zusammen. Dumm gucken dann die angeberischen Hedonisten.

Manches Unglück beginnt auch schon bei der Installierung und sollte Hängematteninteressenten davon abhalten, sich sowas widerrechtlich in die Wohnung zu holen. Detlev Kuhlbrodt