: Brasilien will ein braver Schuldner werden
■ Das am höchsten verschuldete Land will nach dem Brady-Plan vorgehen
Rio de Janeiro (ips/taz) — Brasilien will von seiner Konfrontationsstrategie in der Schuldenfrage abgehen und sich dem Modell des US-Finanzministers Nicholas Brady unterwerfen. Diese Information ließ das Wirtschaftsministerium am Wochenende durchsickern, gerade rechtzeitig vor dem gestrigen USA-Besuch von Präsident Fernando Collor de Mello. Das neue Vorbild sei Mexiko, berichtete die 'Gazeta Mercantil‘ unter Berufung auf einen „einflußreichen Berater“ des Wirtschaftsministers Moreira. Mexiko soll nicht nur in der Schuldenfrage, sondern auch für das wirtschaftliche Anpassungsprogramm in Brasilien Vorbild werden.
Der Brady-Plan zur Schuldenreduzierung sieht vor, daß einem Land ein Teil seiner Schulden erlassen wird, wenn es gleichzeitig ein wirtschaftliches Anpassungsprogramm nach den Vorgaben von IWF und Weltbank auflegt. Die brasilianische Regierung hofft allerdings, bessere Konditionen bei der Schuldenreduzierung als Mexiko oder Venezuela durchsetzen zu können. Brasilien könne, anders als die genannten Länder, seine derzeit 123 Milliarden US- Dollar betragenden Auslandsschulden nicht aus Exporterlösen bezahlen, wird argumentiert. Der größte Teil der Exporterlöse würde, anders als in Mexiko und Venezuela, im Privatsektor erwirtschaftet.
Für das mexikanische Modell der wirtschaftlichen Stabilisierung spricht vor allem die zunehmende Attraktivität Mexikos für ausländische Investoren. 1990 flossen insgesamt 8,4 Milliarden US-Dollar an Darlehen und Investitionen ins Land.
Der neue Kurs in der Schuldenfrage, das wichtigste Thema der aktuellen US-Reise des brasilianischen Präsidenten, soll auch durch eine personelle Erneuerung glaubwürdiger gemacht werden. Seit gestern steht der bisherige brasilianische Vertreter bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), Pedro Malan, an der Spitze des Schuldenverhandlungsteams. Malan wird seit seiner früheren Mitgliedschaft im Direktorium der Weltbank bei den privaten Gläubigerbanken als Experte geschätzt. Erst letzte Woche hatte eine Weltbank-Delegation Brasilien gedroht, dem Land keine Darlehen mehr zu geben.
Der Kurswechsel hatte sich Anfang Mai angedeutet, als Wirtschaftsministerin Zelia Cardoso de Mello dem ehemaligen Botschafter in Washington, Moreira, weichen mußte. Cardoso war bei den Gläubigern nicht gerade beliebt gewesen: Sie wollte den Schuldendienst von einem zuvor erzielten Budgetüberschuß abhängig machen und die Rückzahlung des Grundkapitals auf 45 Jahren strecken. dri
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen