piwik no script img

INDERGALERIEIMSCHEUNENVIERTEL

DERAUSSTELLUNGSTIP  ■  YORK DER KNÖFEL

Wie es sich für aufmüpfige Ost-Künstler gehörte, war auch Knöfel vor der Maueröffnung mit steigender Begeisterung damit beschäftigt, sich Brust und Hirn aufzureißen, um das ganze böse Seele-aus-dem-Bauch-Gekröse über Leinwände zu schleudern. Aber nach überstandener Privatapokalypse und dem obligatorischen Aufruhr zur Liebe kam er schon bald geläutert als »Mauerspringer Richtung Osten« auf neue Wege und versprach mit »Petra und der Wolf«, daß auch er bereit war, eine Wende einzuleiten. Entscheidend dafür war die Kenntnis der modernen russischen Kunst und die davon beförderte Abstinenz gegen die »deutsche Frustkacke« (Knöfel). Seine großformatigen Bilder haben seither keine im herkömmlichen Sinn motivierten Themen, ihre Motive sind dafür denkbar einfach: Schraubzwingen, Dosenöffner, Korkenzieher, der verräterische Mutternschlüssel und eine vorsintflutliche Handbohrmaschine, die so schön makaber »Brustwinde« genannt wurde. Ihre Titel lauten endlich alternierend »Einer frißt den anderen« oder »Seelen steigen zum Himmel«, was doch eigentlich schon genug Witz hat, als daß sie noch zum »Teil gesellschaftlichen Seins« hochgekitzelt werden müßten.

In gewohnter Humorlosigkeit weiter: Die Bilder sind deutlich strukturiert, ausgewogen komponiert, einfach schön. Der Farbauftrag ist grandig und borstig, aber ohne schrille Kontraste. Trotz der verwendeten Ölfarben leuchten die Oberflächen wohlig matt, manchmal hauchdünn aufgetragen, dann wieder grob gespachtelt, zum Wohlfühlen wie eine Wiese. Ja wirklich: die Räume sind so gestaffelt, daß sie Landschaften bilden, weite Ebenen und Steppen, auf denen gar Büffel, gar Nashörner weiden können »und dann und wann ein weißer Elefant« (Rilke). Dominiert werden sie trotzdem vom Inventar der metallenen Instrubestiarien. Aus der Sorgfalt, mit der hier hypertrophierte Banalitäten auf eine Ecknische des Kunsttempels gehievt werden, läßt sich ein Anspruch schließen, nach dem es völlig wurscht ist, was man nur dauernd herbildert, Hauptsache, man macht es ordentlich. Und wen es da noch stört, mit einer erstklassig grinsenden Glühbirne statt erkenntnissatten Hirnfrüchten konfrontiert zu werden, der sollte sich mal fragen, was wir täglich an Eisen zu verdauen haben, wenn wir uns weiter fressen, einer den anderen. Fritz Viereck (Foto: Jürgen Gebhardt)

BIS28.6.,WEINMEISTERSTR.8,1020

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen