: Bushs lästige Schatten der Vergangenheit
Ronald Reagan gibt der Theorie eines Geiseldeals mit dem Khomeini-Regime im Jahre 1980 neuen Auftrieb/ Dadurch gerät nicht nur Präsident Bush ins Zwielicht, sondern auch sein Kandidat für das Amt des CIA-Chefs, Robert Gates ■ Aus Washington Rolf Paasch
Den Präsidentschaftswahlkampf würde George Bush lieber heute als morgen eröffnen. Mit dem militärischen Sieg im Golfkrieg und der Aura des „Befreiers vom Vietnam- Syndrom“ um seine Person wären die Chancen eines demokratischen Gegenkandidaten momentan minimal. Doch seit einem eher privat angelegten Zusammentreffen mit Amtsvorgänger Ronald Reagan am letzten Samstag drohen Schatten aus der Vergangenheit Bushs Siegerstimmung zu trüben: War George Bush 1980 als Mitglied der Wahlkampfmannschaft von Ronald Reagan am sogenannten „Geiseldeal“ mit dem Khomeini—Regime beteiligt — oder nicht?
Glaubt man den Anschuldigungen unter anderem des ehemaligen Mitarbeiters von Präsident Jimmy Carter, Gary Sick, dann hat die Reagan—Wahlkampfmannschaft Teheran damals Waffenlieferungen versprochen, falls sie die US-Geiseln bis nach den Novemberwahlen in den USA in Gefangenschaft hielten, damit deren vorzeitige Entlassung noch in der Amtszeit Carters nicht dessen Wahlchancen verbessern würden. An Kontakten von Mitgliedern der Reagan-Kampagne mit Vertretern des iranischen Regimes im Sommer und Herbst 1980 in Europa bestehen kaum noch Zweifel. Ebensowenig an den anschließenden Waffenlieferungen an den Iran. Was fehlt, sind Beweise über die Verbindung beider Phänomene.
Letzten Samstag nun, bei einer vergnüglichen Partie Golf, wurden Bush und Reagan erneut von Reportern auf den Geiseldeal angesprochen. In dem offensichtlichen Bestreben, die Geschichte ein für allemal vom Tisch zu bringen, fütterte Reagan die Presse stattdessen mit neuen Indizien. Diese Gerüchte seien „absolute Fiktion“, erklärte der Ex—Präsident, er habe im Gegenteil versucht, sich für eine möglichst schnelle Freilassung der Geiseln einzusetzen. Damit gab er zum ersten Mal zu, sich bereits als Präsidentschaftskandidat in die Geiselfrage eingeschaltet zu haben. Auf die Frage nach möglichen Kontakten seiner Wahlkampfmitarbeiter — zu denen auch der spätere CIA-Chef William Casey und Vize-Kandidat George Bush zählten — zu iranischen Offiziellen wich Reagan aus. Er könne hier „nicht in die Details gehen“, da „einige dieser Dinge noch der Geheimhaltungspflicht unterliegen“. Just bei dieser Bemerkung wurden einige Journalisten stutzig, ließ sie doch nur zwei Interpretationen zu: Entweder ließ Reagan die „Details“ seiner Bemühungen um die Geiseln nachträglich, und damit illegal, als geheim klassifizieren; oder der CIA war bei den Kontakten der Reaganmannschaft bereits mit im Spiel — und zwar ohne Wissen der Carter—Administration.
Womit die Verbindung zur nächsten Affäre hergestellt wäre: Denn auch der von George Bush jetzt für das Amt des CIA-Chefs nominierte Robert Gates wird zu jener Geheimdienst-Clique gezählt, deren Ziel damals die systematische Destabilisierung der Carter-Regierung war und die Demontage des von Carter eingesetzten CIA-Reformers Stansfield Turner an der Spitze der „Agency“.
Nachdem die Bestätigung von Gates als CIA—Chef durch den Kongreß trotz dessen notorischer Verwicklung in die Iran-Contra-Affäre schon sicher zu sein schien, sind die Hearings nun plötzlich auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben worden. „Reine Routine“, heißt es offiziell. Doch hinter den Kulissen ist anderes zu hören. Gates wird jetzt auch mit den angeblichen illegalen Waffenexporten von US-Firmen in Zusammenhang gebracht, in denen zwischen 1984 und 1988 wichtige Raketentechnologie über Südafrika in den Irak gelangte. Zwischen 1987 und 1989 hatte die US-Filiale der Banca Nazionale de Lavoro in Atlanta Kredite in Höhe von drei Milliarden Dollar an den Irak vergeben. Enthüllt hatte diese Story nicht etwa die US-Presse, sondern die Londoner „Financial Times“.
Genau 20 Jahre nach Veröffenntlichung der Pentagon—Papers und exakt 19 Jahre nach dem Einbruch mehrerer Handlanger des damaligen Präsidenten Nixon in das Büro der gegnerischen demokratischen Partei könnte sich in den nächsten Wochen ein neuer Skandalsommer entwickeln. Wie zu Beginn der 70er Jahre fehlt es in den USA auch diesmal nicht an engagierten Einzelkämpfern wie weiland dem Pentagon-Insider Daniel Ellsberg oder dem Journalisten Bob Woodward, die Licht in die gesetzeswidrigen Aktionen der politischen Akteure bringen wollen. Ob allerdings die in den 80er Jahren domestizierten US-Medien und der ängstliche Kongreß auch heute bereit sind, aus den belastenden Indizien eine Staatsaffäre zu machen, muß angesichts ihrer bisherigen Zögerlichkeit bei der Recherche bezweifelt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen