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Berlin als KSZE-Stadt

■ Geschichte einer rot-grünen Idee bis zur jetzigen Tagung

Berlin. »KSZE-Stadt Berlin« — ein bißchen klingt es nach einer Abkürzung für ein Textilkombinat. »Hauptstadt Berlin« läßt sich da einfacher aussprechen. Und wer denkt schon noch an die Zeiten, als sich Berlin nicht auf den Nahkampf mit Bonn vorbereitete, sondern von einer Zukunft als KSZE-Stadt träumte? Vor vier Jahren wurde die Idee im Friedensbereich der AL geboren — zu Zeiten also, als man sich bei den Alternativen um die Drei-Staaten-Theorie im besonderen und deutschlandpolitische Perspektiven im allgemeinen heftigst stritt. KSZE-Stadt Berlin — diese Idee erschien damals manchem wie eine heilsame Utopie: West-Berlin nicht mehr als halbierte Alliierteninsel, sondern als Zentrum für »blockübergreifende« Politik.

In der SPD hatte man sich längst ähnliche Gedanken gemacht, weshalb in den Koalitionsvereinbarungen gefordert wurde, aus Berlin nicht nur eine rot-grüne, sondern auch ein KSZE-Zentrum zu machen. Doch es kam bekanntermaßen der 9. November dazwischen. Mangels Block gab es nun nichts mehr zu übergreifen. Zudem leitete die Grenzöffnung nicht nur die erdrutschartige Vereinigung der Deutschen ein, sondern letztlich auch das Ende der rot-grünen Koalition.

Später warb zwar Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper in Bonn und auch bei seinen Auslandsreisen nach London, Paris, Washington und Moskau für Berlin als Tagungsort. Auch die AL forderte nun wiederholt eine KSZE-Sonderkonferenz in Gesamt-Berlin — allerdings weniger in Gedanken an die AMK und die Berliner Hotelkonjunktur, sondern, um die deutsche Frage im KSZE-Rahmen lösen zu lassen. Doch die KSZE-Teilnehmer zogen es im November 1990 vor, über die vereinigten Deutschen lieber in Paris zu reden. Statt dessen tagten auf Einladung der damaligen Frauensenatorin Anne Klein 350 Teilnehmerinnen auf der ersten KSZE der Frauen. Jetzt gibt's als Trostpflaster eine Außenministerkonferenz. Berlins Begehrlichkeiten haben sich gewandelt — nicht mehr die KSZE soll's sein, sondern Olympia und der Regierungssitz. Andrea Böhm

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