INTERVIEW
: „Ich habe mich zum Kotzen gefühlt...“

■ Der grünne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann zur Räumung in Gorleben und der Politik der rot-grünen Landesregierung/ CDU erwägt Antrag auf Untersuchungsausschuß gegen Griefahn und Kempmann

Hannover (taz) — Geht es nach der niedersächsischen CDU, so hat nicht die BI Lüchow-Dannenberg die Blockade vor dem Gorlebener Zwischenlager auf die Beine gestellt, sondern Umweltministerin Griefahn hat „in Zusammenarbeit mit dem Grünen-Abgeordneten Kempmann den Widerstand gegen die nach Gorleben durchgelassenen Abfall-Container organisieren lassen“. Dies will die Opposition jetzt möglicherweise sogar mit Hilfe eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beweisen. Kempmann, der als ehemaliger Pressesprecher der BI Lüchow-Dannenberg bei der Räumung in Gorleben zwischen allen Fronten stand, beantragte gestern eine einstweilige Anordnung gegen die Behauptungen der CDU, auch wenn er sich durch sie „eigentlich geehrt fühlen“ müßte.

taz: Hat der Landtagsabgeordnete und ehemalige BI-Sprecher Kempmann graue Haare bekommen, als in Gorleben die Polizei seiner rot- grünen Regierung die Blockade seiner BI auseinanderrupfte?

Hannes Kempmann: Die Verantwortung dafür, daß es zu diesem Polizeieinsatz gekommen ist, trägt der Atomminister Töpfer. Allerdings hat die niedersächsische Polizei ihr Einsatzkonzept, die Blockade gewaltfrei zu räumen, nicht durchgehalten, und so ist es zu schlimmen Szenen gekommen, bei denen ich mich zum Kotzen gefühlt habe.

Gerade über diese Übergriffe sind auch grüne Kreisverbände empört.

Ich bin auch empört. Letzlich geht es aber darum, daß alle, die Landesregierung und auch die Bundesregierung, verstehen, daß solche Transporte nach Gorleben nicht durchsetzbar sind.

Aber die nächsten Transporte aus Belgien werden kommen.

Die Landesregierung muß schnellstens alle Möglichkeiten nutzen, um durch Auflagen an den Betreiber des Zwischenlagers weitere Mol-Transporte nach Belgien zu unterbinden. Es ist außerdem überhaupt nicht einzusehen, daß Niedersachsen Polizeikräfte bereitstellt, um Töpfers Kumpanei mit der Atommafia zu unterstützen.

Also wird ein nächster Transport mit Mol-Müll ohne massive Polizeibegleitung nach Gorleben fahren?

Ich gehe davon aus, daß es keinen nächsten Transport vom Mol-Müll nach Gorleben geben wird.

Das kann die Landesregierung doch niemals gegen Bundesumweltminister Töpfer durchsetzen.

Bei allen anderen Atommüllagern ist genau festgelegt, wo der radioaktive Müll herkommen darf, den sie aufnehmen müssen. Nur für das Gorlebener Faßlager fehlt eine solche Herkunftsbestimmung, und die Landesregierung muß eben jetzt eine entsprechende Auflage zur Genehmigung erlassen. Aber auch wenn Atomminister Töpfer diese Auflage durch eine Weisung wieder kippt, darf Niedersachsen weitere Transporte nicht genehmigen.

Die CDU hat dir gestern im Landtag vorgeworfen, gemeinsam mit dem grünen Umweltstaatssekretär Peter Bulle die Blockade in Gorleben angeleiert zu haben.

Die CDU ist wieder mal völlig neben der Spur. Einen Untersuchungsausschuß kann ich allerdings nur vehement begrüßen, weil wir dann die Hintergründe des Mol-Skandals vielleicht doch noch aufklären könnten. Interview: Jürgen Voges