: Frauengewerbehof gesucht
■ Die "Weiberwirtschaft", eine Genossinnenschaft in Gründung, ist noch auf der Suche nach einem geeigneten Gewerbegebäude für ihre Frauenbetriebe
Die „Weiberwirtschaft“, eine Genossinnenschaft in Gründung, ist noch auf der Suche nach einem geeigneten Gewerbegebäude für ihre Frauenbetriebe.
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ie Frauen von „Durchblick“, der Computerschule für Frauen, schwören auf die Dienste der von Frauen betriebenen Autowerkstatt. Die Landschaftsplanerinnen im Büro schräg gegenüber pflegen regen Austausch mit den „Frauen in Naturwissenschaft und Technik“. Sie alle haben ihren Sitz in einem großen, von Fassadengrün umrankten Gewerbehof mitten in Berlin. Im Hof spielen lärmend Kinder. Die Mitarbeiterinnen aus 30 Frauenbetrieben und -projekten unterhalten gemeinsam eine Kindertagesstätte.
Eine Zukunftsvision — denn den Gewerbehof für Frauen gibt es noch nicht. Aber er wird von der „Weiberwirtschaft“, der Genossinnenschaft in Gründung, seit längerer Zeit intensiv vorbereitet und gesucht. „Weiberwirtschaft“ — das ist die Idee, einzelne Frauenprojekte und -betriebe in einem Frauengewerbehof zu konzentrieren, sie zu stärken durch Vernetzung, gemeinsames Auftreten nach außen und gemeinschaftlich genutzte Infrastruktur.
Die Realität sieht derzeit jedoch noch anders aus. Berlin-Neukölln, zweiter Hinterhof, vierter Stock, ein kleines Büro, vier Frauen und ihre Schreibtische. Gute Ideen und kreative Konzepte zeichnen die Frauen der „Weiberwirtschaft“ aus — allein, es fehlt die passende Immobilie. „Die Frage nach dem Gebäude kristallisiert sich als zentral heraus“, äußert sich Monika Damm von der „Weiberwirtschaft“ über diese brisante Frage eher zurückhaltend.
Entstanden ist die „Weiberwirtschaft“ aus der üppig wuchernden Frauenprojekt-Szene in Berlin. Frauen vom „Arbeitskreis Staatsknete“, von „Goldrausch“, dem Netzwerk zur Unterstützung von Frauenprojekten, und Frauen aus der Wissenschaft entwarfen gemeinsam das Konzept einer Genossinnenschaft. Anteilschein für Anteilschein soll das Grundkapital zwischen ein und zwei Millionen von Frauen gezeichnet werden. Diese Summe ist Voraussetzung, um von Banken Kredite zu bekommen, mit denen dann ein Gewerbehof gekauft oder in Erbpacht übernommen werden kann.
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ine Genossinnen- beziehungsweise Genossenschaft ist die relativ demokratischste Eigentumsstruktur, die hierzulande gesetzlich möglich ist. Wer einen Anteilschein hält, hat eine Stimme in der Versammlung — unabhängig davon, wie hoch dieser Anteil ist. Bei der „Weiberwirtschaft“ steigt frau mit mindestens 200 Mark ein und kann ihren Anteil auf maximal 50.000 Mark steigern. Eine Frau, eine Stimme — so wird entschieden.
Die „Weiberwirtschaft“ begrüßt demnächst die 100. Genossin. Ein Erfolg ihrer kontinuierlichen Arbeit. Angesichts der dramatischen Lage auf dem Berliner Immobilienmarkt haben sie diesen auch bitter nötig. Seit der Vereinigung ziehen die Immobilienpreise in Berlin steil nach oben, ins Unkalkulierbare. Zwischen sechs und zwölf Millionen Mark, so schätzt Heike Skok, Geschäftsführerin der „Weiberwirtschaft“, müssen die Frauen für einen Gewerbehof heute mindestens bezahlen. Vorausgesetzt, sie kommen überhaupt in die engere Auswahl derjenigen, denen solch ein Anwesen angeboten wird. „Wir müssen politisch Druck machen, um an Räume zu kommen“, erkennt Monika Damm, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der „Weiberwirtschaft“, „übers Geld schaffen wir es nicht.“
Mit dem Berliner Bezirk Wedding gibt es seit längerem Gespräche und Verhandlungen über das Gebäude der ehemaligen Firma Rotaprint. Dort wo früher Druckgeräte hergestellt wurden, ist viel Platz für Gewerbebetriebe — auch für die „Weiberwirtschaft“. Die Firma Rotaprint hatte nach ihrer Pleite das Betriebsgelände mit giftigen, das Grundwasser gefährdenden Rückständen verseucht zurückgelassen. Deshalb müsse der Boden vor einem Neubezug zuerst entsorgt werden — so die Position des Bezirks als dem neuen Besitzer. Trotzdem sind dort mittlerweile schon einzelne Firmen eingezogen. Die Entscheidungen des Bezirks sind den Frauen undurchsichtig.
Undurchschaubar bleiben — nicht nur für sie — auch die Verkaufs- und Vergabepraktiken der Treuhand. Dort hält man es zwar für „denkbar“, angesichts der hohen Frauenarbeitslosigkeit im Ostteil der Stadt, Gewerberäume zu relativ günstigen Bedingungen zu vergeben — auf eine Stellungnahme zu ihrer Bewerbung auf eine Immobilie warten die Frauen der „Weiberwirtschaft“ allerdings bis heute vergeblich.
Die „Weiberwirtschaft“ operiert also auf unwegsamem, mit Hindernissen gespicktem Gelände. Trotzdem sind alle Frauen entschlossen, nicht aufzugeben. Sie halten fest an ihrem Konzept der Vernetzung, Unterstützung und wechselseitigen Inspiration in einem Frauengewerbehof. Denn gerade in einer Zeit, in der die größten internationalen Konzerne sich in Berlin einkaufen und das wirtschaftliche Geschehen dominieren, ist ein Zusammenschluß der kleinen Betriebe nötiger denn je. Gunhild Schöller
Informationen: Weiberwirtschaft, Hermannstr. 229, 1000 Berlin 44, Tel. 030/622 90 40
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