: Narasimha Rao wird indischer Premier
Nach heftigen Auseinandersetzungen einigt sich die Kongreß-Partei auf den 70jährigen Nachfolger Gandhis ■ Aus Neu-Delhi B.Imhasly
P.V. Narasimha Rao, der vor drei Wochen bereits die Präsidentschaft der Kongreß-Partei vom ermordeten Rajiv Gandhi übernommen hatte, wird nun auch neuer Premierminister Indiens, nachdem seine Partei als größte Partei aus den Parlamentswahlen hervorgegangen ist. Die neue Parlamentsfraktion ernannte ihn am Freitag zu ihrem Führer.
Der Wahl von Rao waren drei Tage hektischer Auseinandersetzungen zwischen Anhängern Raos und Sharad Pawars, des Chefministers von Maharashtra, um die Führung vorausgegangen. Erst als sich die nach ihrem Wahlsieg erstarkten Vertreter aus Südindien für Rao aussprachen, zog sich Pawar zurück und unterstützte die Kandidatur Raos.
Der designierte Premierminister wird am Freitag — eine Woche vor seinem siebzigsten Geburtstag — seinen Amtseid ablegen. Innerhalb von 30 Tagen muß er im neugewählten Parlament eine Mehrheit von Abgeordneten um sich scharen. Er wird auf die Unterstützung von außerhalb seiner Partei zählen müssen. Der Kongreß-Partei fehlen voraussichtlich knapp 30 Sitze an der Mehrheit.
P.V. Narashima Rao war immer ein loyaler Parteigänger und ein bedingungsloser Anhänger der den Kongreß beherrschenden Nehru/ Gandhi-Familie gewesen. Er war nie ein potentieller Rivale Indira Gandhis, der er seinen Aufstieg verdankte. Auch als Frau Gandhi den Ausnahmezustand erklärte und tausende von Oppositionellen auch aus der eigenen Partei verhaften ließ, hielt er zu ihr, genauso wie er auch Rajiv Gandhi treu diente.
Dennoch bringt Rao zweifellos gute Voraussetzungen mit, Indien in einem Augenblick großer wirtschaftlicher und politischer Probleme eine ruhige und erfahrene Führung zu geben. Er hat in den letzten zehn Jahren mit Ausnahme des Finanzportefeuilles allen großen Ministerien vorgestanden. Zwischen 1980 und 1984 war er unter Indira Gandhi ein erfolgreicher Außenminister, dann bis zu ihrem Tod Innenminister. Rajiv Gandhi machte ihn zum Verteidigungsminister, später Minister für „Human Ressources Development“ und Gesundheit und Familienplanung, dann wieder Außenminister. Seine große Bildung und Belesenheit machten den Brahmanen Rao nicht nur zu einem gewandten Vertreter Indiens auf der internationalen Bühne, sie erlaubten ihm als Parteifunktionär auch gute Beziehungen zu den Vertretern der verschiedenen Regionen und Parteien in der Hauptstadt. Diese Kontakte wird er nun um so mehr brauchen können, als er einer Minderheitsregierung vorsteht, die auf die Unterstützung von außen angewiesen ist, und eine Partei leitet, in welcher der plötzliche Tod Gandhis dem traditionellen Fraktionalismus wieder Auftrieb zu geben droht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen