Kolumbiens Kokainboß im Knast

■ Pablo Escobar, Chef des Drogenkartells von Medellin, ließ sich in ein eigens für ihn gebautes Gefängnis überführen

Bogotá (dpa/afp/taz) — Einer der mächtigsten Rauschgifthändler der Welt, der Kolumbianer Pablo Escobar, hat sich in der Nacht zum Donnerstag der Justiz gestellt. Wenige Stunden nachdem die Verfassungsgebende Versammlung sich für ein Auslieferungsverbot für alle Kolumbianer ausgesprochen hatte, landete ein Hubschrauber mit dem 41jährigen Escobar auf dem Gelände des eigens für ihn eingerichteten Hochsicherheitsgefängnisses in der Ortschaft Envigado, zehn Kilometer von seiner Heimatstadt Medellin entfernt. „Ich konnte nicht länger dem Sehnen des kolumbianischen Volkes nach Frieden gleichgültig gegenüberstehen“, begründete der Kokainboß, der vor zwei Jahren der Regierung den Krieg erklärt hatte, einem Fernsehreporter gegenüber seine Aufgabe. Nach Angaben des Journalisten hat Escobar sich in letzter Zeit lediglich einen Bart wachsen lassen. Einer Gesichtsoperation, wie mehrfach berichtet, habe sich der Drogenboß nicht unterziehen lassen.

Nach Einschätzungen von Experten droht Escobar nur eine relativ geringe Haftstrafe. Obwohl ihm zahlreiche Morde, Dutzende Bombenanschläge und Entführungen zur Last gelegt werden, dürfte es schwierig sein, ihm diese nachzuweisen. Kaum ein Zeuge wird nach Ansicht der Experten gegen den einflußreichen Drogenboß aussagen. Zudem waren bereits in der Vergangenheit immer wieder zu kritische Richter getötet oder mit Morddrohungen ins Ausland getrieben worden. Daß Escobar jetzt eine gewisse Zeit im Gefängnis verbringen wird, bedeutet nach Ansicht von Beobachtern auch nicht das Ende seiner Organisation. Vielmehr sei anzunehmen, daß es ihm auch hinter Gittern gelingen werde, seine Geschäfte fortzuführen.

Der Schritt Escobars wird als erster großer Erfolg der Politik von Präsident Cesar Gaviria gewertet. Seine Festnahme hatten sowohl die kolumbianische Justiz wie auch die US-Behörden gefordert. Der liberale Staatschef kritisierte zwar das Votum der Verfassungsgebenden Versammlung, hatte aber selber geständigen Rauschgifthändlern Strafminderung und ein Auslieferungsstopp an die USA angeboten.

Seit 1984 hatte Kolumbien 46 Rauschgifthändler an die USA ausgeliefert. Schon 1988 hatte ein Amtgsgericht in Bogota die Festnahme und Auslieferung Escobars angeordnet. Der Boß des Medellin- Kartells, der den größten Teil des Weltkokainhandels kontrolliert, gilt als Hauptverantwortlicher der Terrorwelle der vergangenen Jahre in Kolumbien. Mit zahlreichen Anschlägen, bei denen Hunderte Polizisten, Politiker und einfache Bürger ums Leben kamen, hatten die bewaffneten Banden der Drogensyndikate versucht, ein Auslieferungsverbot an die USA zu erzwingen.

Für ein Auslieferungsverbot hatte sich schon früh auch die Guerilla „M-19“ ausgesprochen und dies mit dem Respekt vor der nationalen Souveränität Kolumbiens begründet. Antonio Navarro, der Chef dieser Guerilla, die erst vor einem Jahr die Waffen streckte, als sie gerade noch paar hundert Mann stark war, ist heute Präsident der Verfassungsgebenden Versammlung. Er hatte bei den Wahlen im vergangenen Dezember die beiden großen Parteien, die das Land seit 170 regieren, beide weit in den Schatten gestellt. Mit 51 gegen 13 Stimmen hat sich nun die Konstituente dafür entschieden, ein Auslieferungsverbot in der Verfassung festzuschreiben. Inzwischen erklärte US-Botschfater Thomas McNamara in Bogota, die Justizbehörden seines Landes verzichteten auf eine Auslieferung Escobars. thos