Fan-Ebbe ohne Dynamo

■ Über die grauselige Unfähigkeit der Fußballmacher in beiden Teilen der Hauptstadt/ Dem Westen fehlt das Profimanagement/ Der Osten zerfleischt sich mit Stasi-Vorwürfen

Sich über den Berliner Fußball und insbesondere dessen Qualitäten auszulassen, ist eigentlich eine undankbare Aufgabe. Denn es gilt vornehmlich nur, über sportliche Zweitklassigkeit und organisatorische Unfähigkeit zu berichten. Sicher ist, daß Berlin als einzige europäische Hauptstadt bezeichnet werden kann, die bis auf kurze und peinliche Zwischenspiele nicht in der höchsten Fußball-Klasse vertreten ist. Womit gleich das aktuellste und beste Beispiel für die Misere präsentiert wird: das sogenannte Aushängeschild, der Traditionsverein Hertha BSC.

Nicht von ungefähr kommt es, daß der im letzten Jahr mit viel Euphorie in die erste Liga aufgestiegenen alten Dame Hertha nun nach einer blamablen Saison gar der Lizenzentzug und damit der Absturz in die Amateurklasse droht. Denn das Beispiel Hertha BSC zeigt nur allzu deutlich, auf welche Weise in Berlin Profifußball betrieben wird. Da wäre, spätestens seit dem Verschwinden der Mauer, dem Vorurteil zu begegnen, durch die Benachteiligung der Insellage würden zuwenig gute Fußballspieler in der Stadt heranwachsen. Sicherlich blieb die Amateuroberliga Berlin in ihrer Spielstärke immer weit hinter dem westdeutschen Niveau zurück (wie TeBe kürzlich während der Aufstiegsrunde bewies), doch an talentierten Fußballern fehlte es Berlin in den letzten Jahren nie. Abgesehen von der hervorragenden Jugendarbeit bei Hertha Zehlendorf, die in den vergangenen Jahren etliche Meistertitel sammelten, seien auch noch die bekanntesten Beispiele genannt: Pierre Litbarski, Thomas Häßler, Andreas Köpke, Thomas Doll, Andreas Thom, Falko Götz, Rainer Ernst und Christian Ziege stammen aus Berlin oder haben hier längere Zeit gekickt.

Daß solche Spieler, mit denen eine meisterschaftsverdächtige Mannschaft auf die Beine gestellt werden könnte, nicht in Berlin blieben, kränkt wohl die hauptstädtische Eitelkeit. Nur schadet sie ihr nicht. Und dies ist wohl das entscheidende, was zu der Unfähigkeit führt, mit Geld umzugehen, grauselige Fehler bei Spielerverpflichtungen zu begehen und die eigenen Fähigkeiten falsch einzuschätzen. Abgesehen von dem wirtschaftlichen Mißmanagement eines Wolfgang Holst, unter dem der Verein bis heute leidet, einem durch Skandale stetig gewachsenen Desinteresse von Zuschauern und Sponsoren, bringen es die Herthaner immer wieder fertig, ihre Unfähigkeit unter Beweis zu stellen.

Neben oben genanntem sorgten eine völlige Konzeptlosigkeit der Vereinsführung für die wohl peinlichste Vorstellung eines Bundesligisten seit Jahren. Daß so auch keine hochklassigen Trainer oder Spieler Interesse haben, in Berlin zu spielen, versteht sich von selbst. Trotzdem kommen weiter große Töne vom sofortigen Wiederaufstieg von einem Verein, der um Trainingsplätze und -zeiten betteln muß und nicht mal eigene Umkleideräume hat.

Ebenso seltsam geht es bei den Blau-Weißen zu. Seit dem Aufstieg in den bezahlten Fußball fristen sie ein eher unbeachtetes Dasein im Schatten der Hertha, nur für ein einjähriges Erstligagastspiel standen sie im Mittelpunkt. Seitdem schrammen sie jedes Jahr wieder knapp am Aufstieg vorbei und machen eher den Eindruck, als seien sie froh darüber. Weil sie mit Besucherzahlen knapp im vierstelligen Bereich natürlich finanziell permanent an der Pleite stehen sowie am Ende jeder Saison ihre besten Spieler verkaufen müssen, um sich zu retten. Welche meist aus dem Bayerischen kommen, was dem mächtigen Vizepräsidenten Hans Maringer aus Nürnberg zu verdanken ist, der Blau-Weiß 90 zu einer Schaubühne für Talente umfunktionierte, und an den Transfererlösen wohl auch einiges einstecken kann.

Mit einer Vergangenheit anderer Art haben die Vereine im Osten der Stadt zu kämpfen. So kommt denn auch kaum noch jemand zum FC Berlin, da hat auch die Aufgabe des »Dynamos« nichts genutzt. Das Stasi- Image bleibt — von verschiedenen Seiten immer wieder belebt.

»Nein, es macht sehr oft keinen Spaß mehr«, gibt Manager Fuchs zu, alle Bemühungen haben bisher nichts bewirkt. »Wir können machen, was wir wollen, es wird sowieso falsch verstanden.« Sportlich schauts für den alten DDR-Serienmeister ebenso übel aus; die besten Spieler sind wieder verkauft oder bleiben nur beim Erreichen der zweiten Liga. Langfristig wird an eine Fusion mit TeBe gedacht (1992/93), aber »wir befinden uns erst am 1. Verlobungstag«.

Mehr oder angenehmere Fans gibt's selbst dann nicht. Die berüchtigten FCB-Hools scheinen so fürchterliche Rowdys aber nicht mehr zu sein: Nachdem sie am Dienstag im Freudentaumel den Absperrzaun niedergemacht hatten, kamen sie einen Tag später zum Verein, um sich zu entschuldigen und eine Sammelaktion anzukündigen.

Zwischen dem FCB und der zweiten Liga steht Union Berlin. Die Atmosphäre zwischen beiden Vereinen ist mehr als vergiftet: Stasi-Vorwürfe hier, SED-Ämter dort, da freut sich die Boulevardpresse. Finanziell geht es Union nicht so gut wie den FClern, die eine Zweitligasaison mit einem Drei-Millionen- Etat planen könnten. Könnten, denn nur wenn Brandenburg bei Union verliert, wird der Traum Wirklichkeit. Aber: Wird Union den Rivalen wirklich eine Klasse weiter schießen? Der Westberliner Fußball krankt weiterhin an seiner Arroganz, Inkompetenz und der Selbstdarstellungssucht seiner Funktionäre. Der Ostberliner Fußball gehört, in Grabenkämpfe verstrickt, in jedem Falle zu den Verlierern. Der Fan wird auch weiterhin einfach gar nicht erst hingehen. Elke Wittich/Schmiernik