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EINE SACHE FÜRS POESIEALBUM

■ Tagung des BUND mit Politikern und Vetretern der Tourismusbranche zum Thema "Urlaub und Freizeit mit der Natur"

Tagung des BUND mit Politikern und Vertretern der Tourismusbranche

zum Thema „Urlaub und Freizeit

mit der Natur“

VONEDITHKRESTA

Die unterschiedlichsten Interessen von Naturschutzverbänden, Politik und Industrie standen auf dem Seminar des „Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)“ mit dem Thema „Urlaub und Freizeit mit der Natur“ zur Diskussion. Mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft sollten die Möglichkeiten eines „fairen Dialogs und tragfähiger Gemeinsamkeiten“ ausgelotet werden. Zumindest auf höherer politischer Ebene scheinen jedoch die Probleme wachsender Freizeitvermarktung und -erschließung noch nicht vorgedrungen zu sein. So hatte das Mitglied des deutschen Bundestages Dr.Olaf Feldmann, der Vorsitzende des Ausschusses für Fremdenverkehr, seinerseits wenig über politische Strategien zum Interessenausgleich zwischen Umweltbelangen und Wirtschaft zu sagen. Zum Dialog fehlte ihm schlicht die Information und damit das Problembewußtsein. Sein Beitrag beschränkte sich darauf, daß die Verantwortungsbereiche von Kommune, Bund und Ländern eben schwer zusammenzubringen seien, politische Strategien daher schon an der untersten Ebene scheitern. Eine Tatsache, die allgemein bekannt ist und über die man gerne mit einem sachverständigen Politker unter dem Aspekt notwendiger Ansatzpunkte diskutiert hätte.

Wesentlich engagierter in eigener Sache und informierter traten die Vertreter der Reisebranche auf. Die avantgardistische Speerspitze der TUI, der Umweltbeauftragte Dr.Wolfgang Michael Iwand in Begleitung des Marketing Verantwortlichen Dr.Alexander Leschinsky, stellten sich als zugkräftiges Gespann dar. Unumwunden bekannten sie sich zu den Gründen ihres jüngst entdeckten Umweltengagements: „Ökologie rechnet sich in Ökonomie“. Umweltverträglichkeit sei daher ein strategischer Erfolgsfaktor: „Sensibilität für Umweltfragen ist ein Mega-Trend. Wir müssen die Erwartungen und das Verhalten der Kunden antizipieren.“ Praktische Ansätze sind der Aufbau eines Umwelt-Informationssystems, wo man bald die harten Fakten des harten Tourismus auf Diskette abrufen kann, Umwelt-Check-up-Listen, Umweltverträglichkeitsprüfungen zur Folgeabschätzung bei neuen Projekten bis hin zur hauseigenen Kopie auf Umweltschutzpapier. Zwar muß der eloquente Dr.Iwand einräumen, daß seine Arbeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein — „soviele Probleme stehen an“ —, aber immerhin ein Anfang sei. Seine Hauptaufgabe sei die Reparatur, nicht gerade der kaputten Costa del Sol, aber des angekratzten Umweltimage des Reisegiganten. Die Folgekosten ungezähmter touristischer Expansion bezeichnet Herr Iwand als unermesslich. Ein Glück, sonst müßte man ja vielleicht auch den Anteil der TUI daran berechnen, die bislang prächtigen Raubbau betrieben hat. Doch der Wolf ist ins Schafsfell geschlüpft. Mit Sog- und Überzeugungskraft will TUI heute die Regionen für umweltverträglichen Tourismus gewinnen: „Druck entspräche dem Bild vom Teutonnen-Öko-Imperialsimus“. Im Sog der großen Investoren und Massentourismuslieferanten sind die Regierungen der Länder immer mitgezogen worden, und so werden sie sicherlich auch bald erkennen, daß die Massenanbieter aus dem Norden, wiederum schneller das zeitgemäße, gewinnbringende Konzept im Handgepäck mitführen.

Druck ist out, Dialog ist in. Zur praktischen Seite ihres Öko-Engagements zählt TUI auch den Dialog mit Umweltgruppen, Behörden und Experten. Von dort erwartet man sich weiteren Innovationsschub.

Hier treffen sich die Interessen von Umweltverbänden und Fremdenverkehrswirtschaft. Denn, so Frau Dr.Angelika Zahrnt, Vorsitzende des BUND, in ihrer Begrüßung „gleichgerichtete Interessen von Umweltverbänden und Fremdenverkehrswirtschaft wird es sicherlich geben, sofern es um die umweltfreundlichere Gestaltung bisherigen Reisens geht. Kritisch wird es dort werden, wo wir den Umfang und das Ausmaß des Reisens verringern wollen, indem wir den von zirka 60 Prozent der Urlauber genannten Wunsch „Natur erleben“ ernst nehmen und versuchen, ihn möglichst in seinem Wohnumfeld und seiner näheren Umgebung zu erfüllen.“ Das Wort Verzicht geisterte denn auch häufiger in den Redebeiträgen umher.

Ein Wort mit dem ein Unternehmen wie TUI natürlich überhaupt nichts anfangen kann. Um das landschaftsfressende Modell des Massentourismus einzuzäumen, kann sich Herr Iwand schon eher Ferienparks in Form von rundumversorgenden Großanlagen mit ihren vielfältigen Naßzellen wie dem Center Park Projekt vorstellen. Was diese Ferienzentren mit massenhafter Nutzung noch mit „Natur erleben“ im Sinne des BUND zu tun haben, ist fraglich, zumindest wenn man das Bedürfnis nach Naturerlebnis tatsächlich ernst nimmt. Immerhin bescheinigte Wolfgang Strasdas von der Universität Hannover diesem Modell eines Ferienghettos umweltfreundliche Aspekte, wenn es sich von ökologisch wertvollen Standorten fernhält und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar wäre. Beides Bedingungen, die bei bestehenden Projekten längst nicht gewährleistet sind. Ferienparks sind der neueste Hit der Massennaherholung, besonders attraktiv für Familien mit Kindern, die den absoluten Freizeitspaß suchen. Sie entlasten allenfalls Naherholungsgebiete. Ein Urlaubsmoloch, der die übrigen Landschaft schonen soll? So erhalten diese Plastik-Animier-Schuppen als neues Marktsegment, um die man nicht mehr umhin kann, nachträglich ökologische Absolution. Wie bei der TUI wird auch hier das Pferd von hinten aufgezäumt: Zuerst wird die Urlaubslandschaft zerstört und dann nach ökologischen Alternativen gesucht. Spätestens hier drängt sich die Frage auf, ob es eigentlich um die pure Natur oder die Menschen, also auch die Kultur, geht. Es kann doch nicht im Sinne freizeitpolitischer Erwägungen sein, in dieser Freizeitmassenhaltung ein Konzept zu sehen.

Ökologie mag sich in unseren umweltsensibilisierten Zeiten zwar in Ökonomie rechnen, ist aber längst nicht mit Sozialverträglichkeit gleichzusetzen. Eine intakte Landschaft garantiert noch lange keine gesellschaftliche Eigenständigkeit, Beschäftigung und kulturelle Identität. Ein Ansatzpunkt, der in der bewegt geführten Diskussion der Umweltverbände oft zu kurz kommt und bei Unternehmen wie der TUI erst gar nicht auftaucht. Auf der Öko- Schiene kann man sich treffen, denn die ist inzwischen salonfähig.

Natürlich ist es positiv, wenn Unternehmen mit den Untersuchungen der Umweltverbände arbeiten. Die einen hoffen auf Einflußnahme, die anderen springen auf den verkaufsträchtigen Zug der Zeit. Vorbildlich progressives Management, die Industrie saugt die Ideen der Verbände auf, zu ihrem Wohl, und keinen Schritt weiter. Und die Vertreter des Allgemein-Wohls, die Politiker, schnarchen vor sich hin.

„Wir dachten, wir kämen in die Hohle des Löwen und jetzt sind wir sehr zufrieden,“ resümierte Herr Iwand TUIs Tuchfühlung mit den Umweltschützern. Kein Wunder. Sein einzelkämpferisches Bemühen in der TUI um die Umwelt, auch wenn er sich kaum konkret darüber äußerte und man höflicherweise auch nicht zu bohrende Fragen stellte, wurde heftigst honoriert. Nicht Alibi oder Feigenblatt, nein, er ist der lonly rider durch unwegsames Gelände im Kampf fürs Gute. Wer möchte da nicht beistehen. Und so endete die abschließende Podiumsdiskussion über „Entwicklungsperspektiven von Freizeit und Tourismus“ in sehr allgemeinen Statements und freundlichen good-will und Symphatiebekundungen. „Eine Sache fürs Poesiealbum“, brachte es der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Freizeit, Sigurd Agricola, zum ersten Mal richtig konkret, auf den Punkt. Ein Schulterschluß zum „Gemeinsam sind wir unerträglich“ oder ein Auftakt zum Dialog, der über den Erhalt des Kleinstbiotops hinaus geführt wird? Die Dissonanzen zwischen der Fremdenverkehrswirtschaft und den Umweltverbänden sind hoffentlich grundsätzlicherer Art, als diese erste höfliche Tuchfühlung vermuten läßt.

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