PORTRAIT: „Ein Mann mit dem Hang zu pompösen Auftritten“
■ Schwarze Kassen und Bestechungsgelder: Ex-Nukem-Manager Manfred Stephany steht vor dem Haftrichter
Frankfurt/Main (taz) — Als gestern Manfred Stephany, der in Belgien festgenommene Ex-Geschäftsführer der Hanauer Atomfirma Nukem, dem Haftrichter vorgeführt wurde, schäumten im hessischen Landtag selbst die atomfreundlichsten Christdemokraten vor Empörung: Roland Koch, CDU-Obmann im Transnuklear-Untersuchungsausschuß 1990, bat den amtierenden Parlamentspräsidenten Karl Starzacher ( SPD), der Hanauer Staatsanwaltschaft die Protokolle der Vernehmung von Stephany zur Verfügung zu stellen. Denn nach dem überraschenden Geständnis des im Hanauer Landgericht angeklagten Ex-TN-Geschäftsführers Vygen, der für 250.000 Mark Schweigegeld die Mitwisserschaft Stephanys bei den dunklen Geschäften leugnen sollte, steht fest, daß Stephany als Zeuge nicht nur das Gericht, sondern auch den Untersuchungsausschuß des hessischen Landtags belogen hat. Vorausgesetzt, Vygen sagte die Wahrheit. Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren geahndet, wie der Obmann der Grünen, „Staatsanwalt“ Rupert von Plottnitz, anmerkte. Für von Plottnitz bestätigen die Aussagen Vygens den Verdacht, daß in Hanau offenbar über Jahre hinweg ein „veritables Schweigekartell“ organisiert worden sei. Daß sich die „Schwarzkassenkrähen“ von der Transnuklear und der Nukem jetzt gegenseitig die Augen aushacken, ist auch für Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und Elmar Diez von der Initiative Umweltschutz Hanau (IUH) ein „später Sieg“. Die legendären Streiter gegen die Hanauer Atomfabriken hatten wiederholt auf die Mitverantwortung der Atommutter Nukem und ihres Geschäftsführers Manfred Stephany bei den krummen Geschäften der TN hingewiesen. Der promovierte Volkswirt Stephany stand Nukem bis zu seinem eiligen Abgang im Januar 1988 als Geschäftsführer vor. In seiner Amtszeit wurden bei der Nukem-Tochter schwarze Kassen und Konten eingerichtet, Scheinfirmen gegründet und Bestechungsgelder an potentielle Kunden der TN in Millionenhöhe ausgeschüttet. Dennoch leugnete Stephany „im Brustton der Überzeugung“ (Diez) jegliche Mitwisserschaft.
Der 58jährige mit dem „Hang zu pompösen Auftritten selbst bei minimalsten Anlässen“, so eine ehemalige Mitarbeiterin, hatte sich offenbar auf die Verschwiegenheit des von ihm berufenen und wohl auch geschmierten Vygen verlassen. Daß Vygen — geschockt von den harten Urteilen gegen seine Kollegen — jetzt auspackte, dürfte auch anderen Herrschaften nicht geschmeckt haben, wie Eduard Bernhard anmerkte: „Jetzt stehen die Ex-Nukem-Mütter Spalthoff von den RWE und Becker von der Degussa auf der Abschußliste.“ Klaus-Peter Klingelschmitt
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