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Trubel, Rubel, Oberversprecher

■ Werder gegen Köln und Neuberger gegen alle / Aus der Pokalhauptstadt

Vom Schrecken zum Helden der Massen: Oliver Reck beim Resozialisieren.Ralf Pollack

Am Freitagabend haben schon alle ihre Ranzen geschnürt und sind auf dem Weg ins Pokalmekka Berlin, seit drei Jahren traditioneller Wallfahrtsort für tausende BremerInnen und ihre Unterstützung aus sämtlichen Werder- Nord-Provinzen einschließlich Ostfriesland.

Ihr 20.000faches Erscheinen (ebenso stark ihre Kontrahenten aus der alten römischen Provinzhauptstadt Köln am Rhein), sorgt

hierhin bitte das

Fußballfoto

(ein Spieler

im Vordergrund)

(kommt mit dem Berliner

Kasten!!)

sofort für eine spürbare Belebung bei den abgebrühten Traditionshauptstädtlern. Wie können da auch heisere Kehlen trotzig den Fußballhimmel auf Erden verkünden, wo der Stadtverein gerade nochmal so eben die Zweitligalizenz zugesprochen bekam.

Berliner Budenbesitzer am und im Stadion aber (samt dem DFB) griffen auch in diesem Jahr wieder tief in die Taschen der Zuschauer. So herrschte im Stadion

zwar Alkoholverbot, bei Preisen von 3.30 Mark für einen kleinen Becher Zuckerwasser konnte einem aber dennoch schwindelig werden. Immerhin bleibt zu loben, daß von einer 60-Marks- Karte 20 Pfennig an die Sepp- Herberger-Stiftung gehen.

Zum Pokal. Am Samstag war auf den Rängen vor der Kulisse des ehemaligen Reichssportfeldes wirklich die grün-rot-weiße Hölle los. Bremen wie Köln wären sicherlich froh, solche Fahnenmeere auch im eigenen Stadion erleben zu können.

Auffallend war jedenfalls, daß die Fans sich so gar nicht nicht daneben benahmen. Nasenbluten gab höchstens wegen Aufregung beim entscheidenden Werder- Elfmeter, auch sonst lief alles friedlich ab: Szenen von brüderlichen Umarmungen erinnerten eher an vergangene Flower-Power-Zeiten als an Begegnungen zwischen rivalisierenden Fans.

Das war ja fast alles so weit in Ordnung. Als erstes wurde den Bremer Fans auf der Großleinwand im Stadion das Versagen ihrer Mannschaft in den vergangenen beiden Jahren unter die Nase gerieben. Dabei konnte der schon trainierende Bremer Schlußmann nochmal seine Vorjahresleistungen mit pietätlosem Kommentar auf sich wirken lassen.

Die beste Funktionärsleistung aber kam dann nach dem dramatischen Ende des Spiels, als sich der DFB-Oberansager Hermann Neuberger zur Siegerehrung ans Mikro begab und dem SV Werder Bremen zum Pokalsieg 1971 gratulierte. Daraufhin wurde die Superrede durch heftiges Pfeifen unterbrochen, worauf sich Rhetoriker Neuberger wohl keinen Reim machen konnte. Also bezichtigte er die Bremer Fans des unsportlichen Verhaltens gegenüber den Unterlegenen vom FCK. Bleibt der Merksatz für den DFB: Dreimal ist Bremer Recht, aber wenn ein Bremer einmal pfeift, dann hat er dreimal recht. V.K.

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