Hollerland: Was ein Bebauungsplan können darf

■ Betr.: Artikel „Zum Gruseln..“, taz v. 18.6.91

Der Artikel über den neuen Bebauungsplan für das Wohngebiet im Hollerland (“unsoziale und unökologische Bebauung“) ist ziemlich ärgerlich, weil er besserwisserisch schreibt und doch nichts weiß.

Das städtebauliche Konzept ist einfach und unspektakulär: die Situation am Landschaftsrand, eine zentrale Allee, die sechs Fleete quert. Es bilden sich sieben Quartiere, die Quartiersmitte am Schelenkampsfleet. Diese Elemente mit der raumbildenden Bebauung sind im Plan weitgehend festgelegt.

Wir glauben, daß gerade die Ruhe und Einfachheit dieser Elemente die angemessene Gestalt dieser Siedlung am Landschaftsrand darstellen — eine Einfachheit, wie sie auch in den traditionellen bremischen Quartieren in Findorff oder Schwachhausen zu finden ist.

Im Rahmen dieser stadträumlich wirksamen Vorgaben des Bebauungsplanes wird die Bebauung individuell entwickelt — von den Architekten und ausgehend von der Wohnung mit Eingang, Terrasse, Garten, Spielplatz, Zugang und Stellplatz. Dies ist Ergebnis von Architektenentwürfen und soll über die angesprochenen raumbildenden Eigenschaften hinaus nicht durch planungsrechtliche Fixierungen vorweg entschieden werden — im Interesse phantasievoller, bewährter oder auch neuer Lösungen. Ein gewisses Risiko des „offenen Plans“ wird eingegangen.

Als Beitrag zur Qualitätssicherung bei der Gestaltung der Gebäude und der Freiflächen wurde ein Gestaltungsrahmen erarbeitet. Damit soll erreicht werden, daß trotz individueller Gestaltung die Gebäude gestalterisch aufeinander abgestimmt werden und ein ruhiges Siedlungsbild entsteht.

Wenn in dem Artikel gerade die Offenheit des Plans kritisiert wird (“Blanco-Bebauung“) so liegt die Vorstellung zugrunde, die Qualität der Architektur könne durch Planungsrecht garantiert werden. Das geht nicht und wäre auch falsch. Die Vorstellung spiegelt ein falsches Verständnis vom Verhältnis zwischen Stadt und Bürger. Welche Architekturauffassung sollte auch festgeschrieben werden? Statt dessen geht es darum, den Findungsprozeß zweckmäßig zu organisieren in Form von Abstimmungen, öffentlicher Diskussion und Wettbewerben.

Die Planung ist nicht „unökologisch“. Was kann Siedlungsplanung leisten für bessere Erfüllung ökologischer Anforderungen? Hier stehen drei Dinge im Vordergrund:

-Flächensparende Bebauung, um Naturbereiche so weit wie möglich zu schonen, d. h. angemessene Baudichte,

-menschenfreundliche und gesunde Lebensverhältnisse in der Siedlung; dazu gehört auch die Gestaltung und der Bezug zur Landschaft,

-naturnahe Siedlungswasserwirtschaft.

Die Planung sieht eine relativ hohe Baudichte vor, die gleichwohl bei sorgfältiger Planung der Gebäude und ihres Umfeldes mit guten Wohnbedingungen realisiert werden kann. Dazu tragen auch die Planungen für die Gestaltung der Straßen und Wege, Grünflächen und Gewässer, Gärten und Stellplätze usw. bei. Die Gliederung der Siedlung durch Gewässerzüge entspricht der historischen Landschaft, prägt Milieu, Gestaltung und Klima im Wohnumfeld und ermöglicht die naturnahe Ableitung des Regenwassers. Es ist vorgesehen, ein Fernwärmenetz mit zentraler Wärmeerzeugung einzurichten.

Werden „Richtlinien für Baustoffe, für Energie-und Trinkwassereinsparung und Abfallreduktion“ im Bebauungsplan vermißt, so verkennt dies den Zweck und die Möglichkeiten planungsrechtlicher Regelung. Baustoffe und der Betrieb von Gebäuden sind nicht Sache der Regelung im Bebauungsplan, sondern der Einsicht der Beteiligten in Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, allenfalls vom Staat finanziell zu befördern, jedoch nicht zu erzwingen.

Die Bebauung ist nicht „unsozial“. Die Planung eröffnet Möglichkeiten für den Bau vieler neuer Wohnungen und ist ein Beitrag zur Lösung der Wohnungsprobleme vieler Menschen in Bremen. Ein überwiegender Teil der Wohnungen wird im sozialen Wohnungsbau für sozialwohnungsberechtigte Familien errichtet; Horn-Lehe-West ist Schwerpunkt der Wohnungsbauförderung. Dabei sind behindertengerechte Wohnungen in den Erdgeschossen der Häuser Teil der Förderungsbedingungen. Als erste Bauvorhaben sind ein Gebäude mit 80 Kleinwohnungen für Studenten und 200 Wohnungen für alte Menschen mit Service- und Betreuungsangebot für den Stadtteil geplant.

Die Finanzierung von Wohnungen und ihre Zweckbestimmung für einzelne Bedarfsgruppen (Studenten, Alte, Behinderte) ist nicht Sache der Regelung im Bebauungsplan, sondern des intelligenten Handelns der Beteiligten, insbesondere durch Wohnungsbauförderung.

Die künftigen Bewohner haben wie alle anderen Teil an den Einrichtungen des Stadtteils (Bibliothek, Jugendclub usw.). Gemeinschaftseinrichtungen sind darum im Bebauungsplan nur in begrenztem Umfang vorgesehen. In Zusammenhang mit dem Kindertagesheim ist daran gedacht, daß Räume für bürgerschaftliche Aktivitäten angeboten werden, insbesondere wenn, wie erwartet, nach einigen Jahren weniger Kinder als zu Beginn im Wohngebiet leben.

Detlev Kniemeyer, Robert Lemmen, Planungsamt