: Haider schielt auf Waldheims Nachfolge
Wien (dpa/afp) — Nach seiner Abwahl als Kärntner Landeshauptmann und dem Verzicht des österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim auf eine zweite Amtsperiode hat FPÖ-Chef Jörg Haider eine Kandidatur zur Bundespräsidentenwahl in etwa einem Jahr nicht ausgeschlossen. Dies hatte Haider (41), der auch nach seinem Sturz als Kärntner Regierungschef weiter der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs vorsteht, am Samstag im Österreichischen Rundfunk deutlich gemacht.
Der wegen seiner Kriegsvergangenheit als deutscher Wehrmachtsoffizier seit langem heftig kritisierte frühere UNO-Generalsekretär Waldheim (72), der 1986 als Kandidat der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zum Bundespräsidenten gewählt worden war, hatte am Freitag erklärt, er stehe für eine zweite Amtsperiode nicht zur Verfügung.
Haider war am selben Tag über einen Mißtrauensantrag der Kärntner Sozialdemokraten (SPÖ), unterstützt von Haiders bisherigem Koalitionspartner (ÖVP) gestürzt, weil er in der Vorwoche im Kärtner Landtag gesagt hatte, im Dritten Reich sei eine „ordentliche Beschäftigungspolitik“ gemacht worden. SPÖ und ÖVP haben sich inzwischen auf einen neuen Regierungschef in Klagenfurt geeinigt. Danach soll ÖVP- Chef Christof Zernatto an diesem Dienstag mit den Stimmen der SPÖ zum Haider-Nachfolger gewählt werden.
Nur wenige Stunden nach dem Mißtrauensantrag im Landtag von Kärnten hatte Kurt Waldheim seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur bekannt gegeben. Seine Entscheidung stehe nicht in direktem Zusammenhang mit der Aufregung um den FPÖ-Chef, sagte er, doch habe ihn die Affäre Haider veranlaßt, seinen Entschluß schon am Freitag bekanntzugeben. „Die Angriffe gegen mich würden weitergehen, es käme zu zusätzlichen Polarisierungen.“ Das habe er dem Land ersparen wollen, meinte Waldheim.
Der 72jährige Bundespräsident war unmittelbar nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur Anfang 1986 ins Kreuzfeuer der internationalen Kritik geraten, nachdem er über seine Jahre als Leutnant in der deutschen Wehrmacht unvollständige Angaben gemacht hatte. Von seiten des jüdischen Weltkongresses wurde Waldheim sogar beschuldigt, an Kriegsverbrechen mitschuldig zu sein. Eine internationale Historikerkommission konnte zwar für keine der ihm zur Last gelegten Verfehlungen Beweise erbringen, beschuldigte ihn jedoch einer gewissen moralischen Schuld, da er mehrmals beteuert hatte vor allem von Judenverfolgungen in Griechenland, wo er stationiert war, nichts gewußt zu haben.
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