: Serbe will Staatsoberhaupt werden
Da Kroatien Jugoslawien verlasse, hätte der Kroate Stipe Mesic Anspruch auf dieses Amt verwirkt ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler
Am Montag soll nun in Jugoslawien nach fünf Wochen doch noch ein neues Staatsoberhaupt gekürt werden. Hatten die KSZE-Konferenz in Berlin und James Baker darauf gedrängt, daß die jugoslawische Verfassungskrise sofort beigelegt und der Kroate Mesic, wie verfassungsmässig vorgesehen, in sein neues Amt eingeführt werde, so steht dessen Ernennung plötzlich nicht mehr zur Debatte. Mesics Vorgänger, der Serbe Borisav Jovic, erklärte am Sonntag, da nun feststehe, daß sich in der kommenden Woche die Nordrepubliken Slowenien und Kroatien zu souveränen Staaten erklären werden, „müssen diese Republiken aus Jugoslawien ausgeschlossen werden“. So könne auch ein Kroate nicht mehr als Staatsoberhaupt fungieren. Deshalb schlage er sich selbst als Staatschef Jugoslawiens vor.
Bisher ist unklar welche Folgen dieser „Schachzug“ Serbiens haben wird. Stipe Mesic hatte noch am Samstag anläßlich des Baker-Besuches in Belgrad erklärt, er betrachte sich als Staatsoberhaupt des Balkanstaates. Selbst wenn sich Slowenien und Kroatien in der kommenden Woche „normativ“ als souveräne Staaten erklären würden, wären beide Republiken doch weiterhin an einem „minimalen Funktionieren“ des Bundesstaates interessiert. Solange, bis sich „alle Republiken zu einem losen Staatenbund umgewandelt haben“. Baker seinerseits hatte es abgelehnt, mit Mesic und Jovic zu konferieren. Der amerikanische Außenminister kritisierte sowohl die angekündigten Unabhängigkeitserklärungen als „unvereinbar“ mit den Entwicklungen in Europa, wie auch das undemokratische Verhalten der serbischen Regierung. Diese blockiere zum einen die Wahl Mesics, zum anderen enthalte sie den 2,5 Millinen Albanern im Kosovo die elementarsten Menschenrechte vor.
Sichtlich unzufrieden mit der Haltung Bakers zeigte sich in einer Ansprache an das Volk am Samstag Sloweniens Präsident Milan Kucan: „Wenngleich Europa und die USA ein freies Slowenien ignorieren, wir werden unsere staatliche Souveränität ausrufen.“ Zum Zeichen, daß man es ernst meine, begannen die slowenischen Behörden mit der Errichtung einer neuen Staatsgrenze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen