Stasi-Offizier: RAF spionierte für uns

■ Der polizeilich gesuchte Helmut Voigt berichtet über RAF-Stasi-Zusammenarbeit/ CDU-Politiker Diestel gesteht: Stasi-Akten an BKA und Verfassungsschutz geliefert/ Diestel bestritt das bisher

Berlin (taz) — Ein steckbrieflich gesuchter Stasi-Oberstleutnant behauptet, daß die RAF für die DDR spioniert hat. Oberstleutnant Helmut Voigt, für dessen Festnahme eine Belohnung von 10.000 Mark ausgesetzt ist, war bis zur Wende Leiter in der Stasi-Hauptabteilung XXII (Terrorabwehr) und hat nun im Spiegel TV geplaudert. Danach hat die DDR Anfang der achtziger Jahre nicht nur „mit höchster Billigung“ dafür gesorgt, daß aktive RAFler im Arbeiter- und Bauernstaat eine Schieß- und Sprengstoffausbildung erhielten und aussteigewilligen Terroristen Asyl gewährt wurde — sie sollen auch als Spione gegen den „militärisch-industriellen Komplex“ in der Bundesrepublik eingesetzt worden sein.

„Und da gab es durchaus Bereitschaft von RAF-Mitgliedern, uns dort zu unterstützen und zu helfen“, berichtet der im Ausland untergetauchte Voigt. Außerdem behauptet der Stasi-Mann, daß Mitglieder der RAF-Führung in den Wochen vor der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 daran gehindert worden seien, die DDR zu verlassen: Der SED sei daran gelegen gewesen, daß die Wiederwahl Helmut Schmidts als Bundeskanzler durch keine Aktivitäten gefährdet wurden. Voigt: „Es sollte nicht durch einen Fahndungserfolg oder irgendwelche Terrorismusprobleme in der BRD zu einer Verschiebung des schon komplizierten Wahlergebnisses kommen können.“

Die Spionagedienste der RAF können allerdings nicht weltbewegend gewesen sein. Angeblich wurden der Staatssicherheit einmal Lagepläne von US-amerikanischen Kasernen übergeben und „Eindrücke“ über deren Kontrollsystem geschildert. Ein anderes Mal soll ein Generalschlüssel für einen ganzen Bereich von Kasernen angeboten worden sein, „aber“, so der Stasi-Offizier, „das konnte dann nicht realisiert werden“.

Gewissermaßen als Gegenleistung überprüfte die Stasi über den eigenen Spionageapparat unter anderem, ob die Alias-Namen in den gefälschten Pässen der RAF-Kader „in den bundesdeutschen Fahndungsunterlagen enthalten sind“.

Unterdessen hat der CDU-Oppositionsführer im Brandenburger Landtag, Peter-Michael Diestel, der 'Welt am Sonntag‘ gestanden, in seiner Funktion als letzter Innenminister der DDR „ohne Rechtsgrundlage“ Stasi-Akten an das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz übergeben zu haben. Bekanntgeworden ist die illegale Aktion des CDU-Politikers durch eine Indiskretion im Bundestags-Innenausschuß. Diestel, der vor der Volkskammer noch Schwüre leistete, nichts herausgegeben zu haben, sagte jetzt: „Damals ging es um die Enttarnung von Terroristen wie Susanne Albrecht. Wem hätte ich mich anvertrauen sollen, damit solche teuflischen Erkenntnisse richtig genutzt werden?“ bg