: Überaus hoher Unterhaltungswert-betr.: "Was macht die Sachertorte jüdisch?", taz vom 13.6.91
betr.: »Was macht die Sachertorte jüdisch?«, taz vom 13.6.91
Anita Kuglers ausführlicher Bericht über die Schwierigkeiten der jüdischen Gruppe »Jüdische Kultur zu definieren«, wird in einem Punkt den Bemühungen der Seminarveranstalter nicht gerecht. Zumindest die letzte Podiumsdiskussion mit anschließender Beteiligung des Publikums am 10.6. im Senatssaal der Humboldt-Universität zeichnete sich durch einen überaus hohen Unterhaltungswert aus. Sowohl die Teilnehmer des Podiums wie auch die Zuhörer, die sich zu Wort meldeten, gaben sich große Mühe, die universale Gültigkeit des kölschen Sprichworts »Jeder Jeck ist anders« zu beweisen. Und wer bis dahin noch angenommen hatte, an dem antisemitischen Stereotyp, alle Juden wären witzig und intelligent, könnte doch was dran sein, der wurde — von einer Wortmeldung zur nächsten — eines Besseren belehrt.
Höhepunkt der närrischen Sitzung war der mit körperlichem Zwang durchgesetzte Abgang eines Besuchers, der im Hinausgehen die »Internationale« anstimmte. Es handelte sich hierbei um die einzige Äußerung an diesem Abend, der man eine politische Haltung unterstellen konnte. Alles übrige entsprach dem Geschehen in jeder x-beliebigen Selbsterfahrungsgruppe. Das einzige, was die Teilnehmer innerlich verband, war die allen gemeinsame Abneigung gegen Heinz Galinski, den ideellen Gesamtfeind. Am Ende der Veranstaltung gab es keinen Zweifel mehr, was ihn zu dieser Rolle qualifizierte: Die Unfähigkeit seiner Gegner, es mit ihm aufzunehmen. Statt die eigene Impotenz einzusehen, beklagten sie seine Allmachtsansprüche. — Es geht auch anders, aber so geht es auch. Henryk M.Broder
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