: Kein Konsens für neues Atomgesetz
Atomrechtssymposium diskutiert in München/ SPD fordert erneut „Kernenergie-Abwicklungsgesetz“ ■ Aus München Karin Mayer
Ziemlich verloren sehen sie aus, die 20 DemonstrantInnen vor dem Europäischen Patentamt in München. Ein grünes Transparent, ein paar lila Luftballons, von zwei Polizisten überwacht. Mütter gegen Atomkraft und die Bayerischen Landtags-Grünen fordern den Ausstieg aus der Atomenergie.
Drinnen spricht derweil Bundesumweltminister Klaus Töpfer vor rund 250 TeilnehmerInnen des 9. Atomrechtssymposiums über die geplante Atomgesetznovelle. Der Minister stellt die Eckpunkte vor, die das angestrebte Gesetzeswerk haben soll: Die direkte Endlagerung soll leichter möglich und der Endlagerbetrieb privatisiert werden. Wiederaufgearbeitet soll nur noch soviel Atommüll werden, wie auch wiederverwertet werden kann. Wichtiger aber: Die Länder, die Atomkraftwerke und Endlager genehmigen, sollen vom „ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug“ Abstand nehmen. Das Atomgesetz dürfe einfach nicht ausstiegsorientiert angewendet werden. Er hoffe, daß das Land Niedersachsen die Genehmigung für Endlager-Untersuchungen in Gorleben bald wieder erteile. Die Novelle solle zwar nicht grundsätzlich an der Länderkompetenz rütteln, der Bund werde aber durch die „Konzentrationswirkung“ des Gesetzes gestärkt.
Gearbeitet wird an der Atomrechtsnovelle hinter den Kulissen schon seit zwei Jahren. In München sollen es nun die Atomjuristen bis zum Mittwoch, „Ergebnis offen“, diskutieren — ein leuchtendes Beispiel gab Töpfer indes nicht. Genausowenig wie die Demonstranten draußen wahrgenommen wurden, fanden Atomkritiker in der Halle Töpfers Ohr. „Das neue Atomgesetz soll weder ein Ausstiegs- noch ein Förderungsgesetz für die friedliche Nutzung der Kernenergie sein.“
Töpfer beteuert, er wolle mit denen, die andere Ziele in der Atompolitik verfolgen, diskutieren. Von Töpfers Konsenssuche ist aber wenig zu spüren, als Klaus Lennartz, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, ans Rednerpult tritt. Der Minister würdigt den SPD-Mann keines Blickes, obwohl der ihn geradezu demonstrativ immer wieder persönlich anspricht. Lennartz geht hart mit dem Umweltminister ins Gericht: Die Bundesregierung habe in den vergangenen zehn Jahren nichts zur Risikoverminderung in der Atomenergie-Nutzung getan. Wichtige Chancen zur Einsparung von Energie seien ungenutzt geblieben.
Die SPD wolle aus dem Atomgesetz ein „Kernenergie-Abwicklungsgesetz“ machen. Neue AKWs sollen nicht mehr genehmigt werden, die Wiederaufarbeitung beendet. Vor allem die Verlagerung der Wiederaufarbeitung nach Frankreich und England könne keine Lösung sein. Die Bundesrepublik müsse ihre verstrahlten Brennstäbe selbst entsorgen und falls sich kein sicheres Endlager auf deutschem Gebiet finden lasse, müßten Atomkraftwerke eben abgeschaltet werden. Von der Privatisierung der Endlagerverpflichtung will Lennartz nichts wissen.
Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat warnt der Sozialdemokrat, seien ein „heilsamer Zwang zur Konsensbildung“. In der Tat braucht die Novelle die Zustimmung des Bundesrates und damit der SPD. Und die hat sich bekanntlich den Ausstieg aus der Atomenergie auf die Fahnen geschrieben. Wie allerdings der Konsens als unabdingbare Voraussetzung für die Novelle aussehen soll, ist nach der Vorstellung in München völlig unklar.
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