: SPD-Fraktion zerstritten über Abschiebungen
■ Bürgerschaftsdebatte um Bremer Spielraum gegen Bonner Asylrecht
Zum „Anspruch und Recht des kurdischen Volkes auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung“ hat sich der Bremer Bürgermeister Klaus Wedemeier gestern vor einem Kongreß zur „Situation der Kurden nach dem Golfkrieg“ bekannt. Für den vom Rektor der Hochschule, Ronald Mönch, organisierten Kongreß hatte Wedemeier die Schirmherrschaft übernommen, das Rathaus zur Verfügung gestellt und mit einem für einen bundesdeutschen Ministerpräsidenten erstaunlich offenen Beitrag zur Eröffnung die Kurden-Unterdrückung des Nato- Partners Türkei thematisiert.
Die Kurden „gehören zu den ältesten Völkern der Erde“, erklärte Wedemeier und sprach unumwunden von der gewaltsamen „Türkisierung“ der kurdischen Städte. Ein Sprachverbotsgesetz sollte „die Identität des kurdischen Volkes zerstören“, auch nach seiner formellen Aufhebung vor wenigen Monaten blieben öffentliche Stellungnahmen in kurdischer Sprache in der Türkei weiterhin verboten, erinnerte Wedemeier. Eindringlich schilderte er den kurdischen Leidensweg und erklärte, Solidarität sei gefragt insbesondere weil „wir uns fragen (müssen), ob wir nicht zu spät kommen, ob nicht zu lange geschwiegen haben.“
Bezieht die Solidarität die asylsuchenden Flüchtlinge ein? Der Wink war eindeutig, obwohl Wedemeier den ausdrücklichen Hinweis vermied: Heute debattiert die Bürgerschaft über die drohende Massenabschiebung. Für die Flüchtlinge, die aus kurdischen Krisengebieten in die BRD gekommen sind, läuft die offizielle „Duldung“ nur noch bis Ende September. Für Flüchtlinge aus Sri Lanka oder etwa dem Libanon läuft sie am 30.6. ab.
Abschiebungen sofort fordert die CDU in einem Dringlichkeitsantrag, weitere Duldung wollen die Grünen — die SPD-Fraktion ist zwischen beiden Positionen zerrissen. Eine anderthalbstündige Debatte blieb „ohne endgültiges Ergebnis“, gestand Fraktionschef Dittbrenner ein. „Wenn ich morgen für die Fraktion rede, werde ich den Grünen-Antrag nicht kritisieren“, meinte die für Asylfragen sonst zuständige Abgeordnete Barbara Noack. Ob sie reden darf, konnte Fraktionschef Dittbrenner gestern noch nicht sagen.
Alternativ zu Barbara Noack bereitete sich gestern die Hinterbänklerin Marlies Marken vor, an deren Reden sich die Pressebank nicht erinnert konnte und die aus Sicht der Innendeputation dem Innensenator Sakuth den Rücken freihalten will. „Was die CDU will, ist sowieso Fakt“, meinte sie zur taz. „Dem Innensenator bleibt nichts anderes übrig. Der Antrag ist überflüssig“, findet Marlies Marken. Ob man deshalb dem CDU-Antrag zustimmen soll oder ihn ablehnen, wußte sie gestern jedoch noch nicht zu sagen.
Bei dem Streit geht es allerdings auch um bremische Spielräume. Das dem Innensenator Sakuth unterstehende Ausländeramt kann z.B. Ausländer darauf hinweisen, daß sie gegen die Ausweisung „Widerspruch“ einlegen können oder es kann diese Rechtsmittelbelehrung unterlassen. Wie groß der Spielraum ist, hat das Sozialamt durchblicken lassen: Auch Ausländer, deren „Duldung“ abgelaufen ist, haben Anspruch auf Sozialhilfe.
K.W.
Die Bürgerschaftsdebatte wird voraussichtlich gegen 14.30 beginnen, die Demonstration um 17 Uhr, Hauptbahnhof
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