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Mörder oder „arme Schweine“?

■ „Todesschüsse“, eine Reportage über DDR-Todesschützen, 20.15 Uhr, ARD

„Schluß, aus, Ende. DDR gibt's nich mehr, will nix mehr davon hören“, erklärt ein wütender Zeitgenosse dem hartnäckigen Reporter und droht ihm Prügel mit der Brechstange an, falls er nicht umgehend das Weite suche. Ortswechsel. „Ja, ich bin ein Mörder“, gesteht ein älteter Mann kleinlaut und sichtlich bewegt. Zwei Männer, ein Verbrechen. Sie sind ehemalige Angehörige der DDR-Grenztruppen und beide haben sie an der Mauer tödliche Schüsse auf Republikflüchtige abgegeben. Und beiden könnte nun die seltsame Eigenart aller despotischen Regimes zum Verhängnis werden, über ihre Verbrechen penibel Buch zu führen.

Bei seinen Recherchen für eine andere Reportage stieß Heribert Schwan in den Archiven auf die Namen von rund 70 bisher unbekannten Tätern und Opfern. Einige der Täter hat er zusammen mit Werner Filmer aufgesucht und mit den Protokollen ihrer Todesschüsse konfrontiert. Wenige bekennen sich reumütig zu ihrer Tat und brechen unter der Erinnerung an Ereignisse, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen, förmlich zusammen, einige weisen unter Berufung auf die ehemalige DDR-Gesetzgebung und die „Schußwaffengebrauchsordnung“ (einen offiziellen „Schießbefehl“ hat es schließlich nie gegeben) jede persönliche Verantwortung zurück, und wieder andere wollen an all das einfach nicht erinnert werden. „Das war für meinen Mann all die Jahre auch nicht einfach“, erklärt die Frau eines Todesschützen, der vor der Kamera panisch die Flucht ergriffen hat. Das klingt nach einer reichlich fadenscheinigen Ausrede, aber bei einigen der Ex-Grenzer kann man sich in der Tat des Eindrucks nicht erwehren, daß sie zur Spezies „arme Schweine“ gehören.

„Die Grenzer waren überwiegend Menschen mit einer überraschend einfachen Denkstruktur“, so Schwan. Ein Umstand, der sie nun freilich ebenso wenig vor strafrechtlicher Verfolgung schützen kann, wie die Rechtfertigung, auf „höheren Befehl“ gehandelt zu haben. Ärgerlich an dieser Reportage ist allein, daß die beiden Autoren sich nicht nur mit den Tätern befassen, sondern auch die Angehörigen ihrer Opfer ausführlich zu Wort kommen lassen. Wie diese dann unter Tränen alte Fotos hervorholen und berichten, daß ihre Söhne doch „nur ein besseres Leben gewollt“ hätten, geht zweifellos ans Gemüt, nur trägt es — bei aller Tragik — zur Klärung der Frage nach der persönlichen Schuld der Todesschützen nicht einen Deut bei.

Die Frage nach der Verantwortung für die Todesschüsse an der Mauer wird auch im Mittelpunkt einer Live- Diskussion (23.00 Uhr, ARD) stehen, an der unter der Leitung von Fritz Pleitgen neben Heribert Schwan u.a. die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach, Egon Krenz, Friedrich Schorlemmer und ein ehemaliger Angehöriger der DDR- Grenztruppen teilnehmen. Reinhard Lüke

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