: Deutscher Atomstrom kommt bald aus Frankreich
■ Die großen Stromkonzerne wollen das französische AKW Civaux mitbauen
Brüssel/Budapest (taz) — Deutsche Stromkonzerne wollen sich am Betrieb des französischen Atomkraftwerkes Civaux beteiligen. Die Verhandlungen der drei größten deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU) Rheinisch-Westfälische Elektrizitäts (RWE), PreussenElektra und Bayernwerke mit der staatlichen französischen „Electricité de France“ (EdF) seien bereits weiter gediehen als bisher angenommen, sagte gestern Hiltrud Breyer, Europaabgeordnete der Grünen.
Die EdF hatte den Deutschen die Beteiligung offenbar angeboten. Das Geschäft geht auf Vereinbarungen über die Aufteilung des Energiemarktes in der ehemaligen DDR zurück. Dabei hatten die deutschen Energieversorger den Franzosen auf Betreiben des Bundeskartellamtes eine Beteiligung einräumen müssen.
Im Gegenzug wird jetzt den deutschen Stromkonzernen der AKW- Einstieg in Frankreich ermöglicht. Nach Darstellung von EdF-Generaldirektor Jean Bergougnoux soll den Deutschen eine 25-Prozent-Beteiligung am französischen AKW Civaux zugesichert werden. Die Franzosen dürfen dann 7,5 Prozent des Stroms für die neuen Bundesländer liefern. Ein abschließender Vertrag soll laut Bergougnoux bis zum Herbst fertig werden.
Ein Sprecher der RWE dementierte dies heftig: „Weder gibt es eine Beteiligung der RWE an der EdF noch an Kraftwerksprojekten in Zusammenhang mit EdF.“ PreussenElektra räumte allerdings Verhandlungen ein.
Die Europaabgeordnete Breyer beharrt jedoch darauf, daß die jetzigen Verhandlungen nur „die konsequente Befolgung der durch massive Lobbyarbeit zustandegekommenen gesetzlichen Vorgaben für die Energieversorgung in der ehemaligen DDR“ seien. Die neuen Bundesländer seien das Exerzierfeld, auf dem die Atomriesen den europäischen Binnenmarkt probten.
In diesen Zusammenhang passe auch die neue Linie von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU). Er hatte angekündigt, die Endlagerung von radioaktiven Abfällen zu privatisieren und ein neues Atomrecht vorzulegen, das „keine Eintrittskarte in den Ausstieg aus der Kernenergie“ sein wird.
EdF und PreussenElektra planen außerdem ein weiteres gemeinsames Projekt. Die französiche Atomindustrie, die zur Zeit nur einen einzigen Auftrag aus China hat, bot der ungarischen Regierung an, die Leistung des AKW-Parks in Südungarn von gegenwärtig 1.760 Megawatt zu verdoppeln. Gesamtkosten: 3,5 Milliarden Dollar. Davon würden die EdF und der deutsche Stromkonzern PreussenElektra 49 Prozent übernehmen, den Rest müßten die Ungarn finanzieren. Der neuralgische Punkt: Die ungarischen Energiepläne sehen bis 1993 keine Erweiterung der Kraftwerkskapazitäten vor; an Strom herrscht in Ungarn kein Mangel. Thomas Krumenacker/
Tibor Fényi
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