: Leiche in Mitterrands Keller
Anti-Terroreinheit inszenierte 1982 Coup gegen drei Iren/ Prozeß begann nun neun Jahre nach der Tat ■ Aus Paris Bettina Kaps
Es sollte der ganz große Coup sein. Im August 1982, nur 19 Tage nach dem mörderischen Bombenattentat auf das Restaurant Goldenberg in der Pariser Rue des Rosiers, ließ das Elysée in den Fernsehnachrichten triumphal verkünden: „In Frankreich ist es heute zu bedeutenden Verhaftungen in internationalen Terroristenkreisen gekommen. Dokumente und Sprengkörper wurden beschlagnahmt.“ Doch der Zauber war faul. Die drei Verhafteten entpuppten sich als kleine Sympathisanten der irischen Untergrundorganisation INLA, sie wurden nach neun Monaten Haft freigelassen und entschädigt. Die Waffen soll ein Gendarm der Anti-Terror-Elitetruppe GIGN in ihrem Domizil versteckt haben.
Seit neun Jahren ist dem Elysée bekannt, daß die verschleiernd „die Iren von Vincennes“ genannte Affäre die Antiterror-Gruppe belastet. Doch erst diese Woche wurde der erste Skandal der Ära Mitterrand vor dem Pariser Strafgericht aufgerollt. Ob dabei die ganze Wahrheit ans Licht kommen wird, ist fraglich, denn gegen die Hauptfigur wird bislang gar nicht ermittelt. 'Le Monde‘ spricht daher von einem „halben Prozeß um einen gesäuberten Fall“.
Die Affäre hatte ein Sympathisant der drei Iren namens Bernard Jegat ins Rollen gebracht, der für sie Waffen aufbewahrte. Er befürchtete, seine Freunde könnten in das Attentat auf das jüdische Restaurant verwickelt sein und verriet sie daher an den GIGN-Kapitän Paul Barril. Der habe die Waffen beschlagnahmt und sie den Iren bei der Verhaftung im Pariser Vorort Vincennes untergeschoben, behauptet Jegat und informierte zuerst das Elysée über Barrils schmutzige Methode, später Mitterrand-Berater Régis Debray und schließlich den französischen Verfassungsschutz DST.
Doch erst Ende 1985 wurde ein Untersuchungsverfahren wegen Waffentransports eröffnet, allerdings nicht gegen Barril, sondern gegen unbekannt. Barril blieb bis heute unbehelligt, stattdessen steht jetzt Jegat wegen Waffenbesitzes selbst vor Gericht — sowie Christian Prouteau, früher GIGN-Chef von Barril und Leiter der Anti-Terror-Zelle im Elysée (er soll Barril grünes Licht gegeben haben) und zwei Offiziere der Kriminalpolizei. Da die GIGN mit den Durchsuchungen ihre Kompetenzen überschritten hatte, deckte damals die Kripo ihr Vorgehen und leugnete vor Gericht alle Unregelmäßigkeiten. Barril wurde nur als Zeuge geladen.
Am ersten Prozeßtag ließ sich Barril entschuldigen — er sei gerade im Scheichtum Katar. Zur größten Überraschung war er am Dienstag nachmittag plötzlich doch zur Stelle. Ganz Star des Verfahrens, äußerte sich Barril heldenhaft vor den Fernsehkameras: „Ich bin gekommen, um meinem Kampfbruder Prouteau zu helfen. Ich habe damals getan, was ich tun mußte. Ich bin traurig, daß mein Ankläger Jegat desertiert ist und den Kampf feige aufgegeben hat.“ Auf die entscheidende Frage des Gerichts, ob er die Operation getürkt habe, antwortete Barril gelassen: „Nein, nein, ganz und gar nicht“, womit sich die Richter für's erste zufrieden gaben.
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