: Glenn Danzig
Vorher — Nachher: Links Gary, rechts Glenn
Danzig
Durch zuverlässige Quellen haben wir erfahren, daß Glenn Danzig von frühester Kindheit an der größte Gary-Glitter-Fan unter dem Firmament ist. Nun soll diese Mitteilung natürlich streng vertraulich bleiben und kann somit auch nur exklusiv in der Super!-taz erscheinen.
Nach der zweijährigen Ausbildung zum Stiefmütterchengärtner traf Gary den langhaarigen Mopedmechaniker Ben und seinen späteren Schuhmacher Neil vor dem Gärtnershop beim Stiefmütterchensameneinkauf. Bei der Aufnahme zur ersten Single »Rock And Roll Part I and II« fiel ihnen auf, daß der Bassist fehlte und flugs lief der Leader of the Gang zum Telefon, um Harry, den Maurerlehrling vom Nachbarsblock, ins Studio zu rufen. Und so kam es, daß an einem sonnigen Sonettsommertag, nämlich am 17.6.1972, diese Single einen furiosen zweiten Platz in den UK-Charts errang. Gary Glitter, dichtestbehaartes Zwitterneutrum, vom Gärtner zum Freak, vom Freak zum Glam-Star, vom Glam-Star zum Brian-Ferry-Vertilger, zum passionierten mit- zwanzig-Zentimeter-Höhenzusatzplateaustiefel-den-schnöden-Rest-überragen den Universalperformer minimalistischster Hochglanzglitzerfärbung, wurde ins Rampenlicht gestoßen. Kaum eine Karriere nahm einen so steilen, so unbeirrbaren, so jedes Hindernis ignorierenden Verlauf, begründet auf der Notwendigkeit des delierenden exhibitionierenden Darstellungszwangs nicht nur dieses Stars selber, sondern eines jeden freaky funky weirdos' in Stadt und Land. »Do you wanna touch me? (Oh Yeah)« live ist Showaddywaddy »Hey Rock'n'Roll« ist T. Rex »Get It On« ist Sweet »Wig Wam Bam« ist Godflesh »Love Is A Dog From Hell« ist Danzig »Tired Of Being Alive« ist Hole »Dicknail« ist Slade »Far Far Away«.
Im blümchentapetengemusterten Londoner Hotelzimmerambiente packen wir den Inhalt unserer Einkaufstaschen, Towerhochglanzpostkarten, zuckergegossene Queens, Plastikdianaundcharles', auf den Barockimitationscouchtisch. Ein kurzer Blick — die Erinnerung erschlägt uns: Was war das für eine Zeit, da Peter K. mit Always Yours im Kopf verprügelt wurde, weil in seine Flanelljacke winzige Körbchenausprägungen eingearbeitet waren und Erika, I Love You Love Me Love summend, mit langärmeligen T-Shirts unter kurzärmeligen Blusen und hochhackigen Holzcloques durch das zehnte Schuljahr stolperte. Wir haben ihn gesehen, im London der 90er, am Ausgang von Harrod's, Menschentrauben um seinen Stand gescharrt, den Leader persönlich, glitzernd, das Mikrofon um den Hals gekordelt, mit seinem unvergleichlichen Enthusiasmus Haargel anpreisend wie damals seine Hits. Er hat 18 Millionen Platten verkauft, steht in keinem Rocklexikon der Gegenwart, und doch — Glenn Danzig liebt ihn. Deswegen müssen wir heute abend zu seinem Konzert, denn ein Hauch von Glenns Trockeneisnebel wird nach Gary Glitter schmecken. Peter K. und Erika
Zusammen mit Bad Brains (bei denen übrigens inzwischen der erste Sänger von Faith No More zugange ist) um 20 Uhr im Tempodrom
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