Kompromiß a la vietnamienne

■ Die vietnamesische KP widersteht erfolgreich allen Forderungen nach Erneuerung/Die neue Führung wird verstärkt nach China blicken

Kompromiß à la vietnamienne Die vietnamesische KP widersteht erfolgreich allen Forderungen nach Erneuerung Die neue Führung wird verstärkt nach China blicken

Die Dissidenten in der Partei hatten kein Blatt vor den Mund genommen — trotz aller Versuche Hanois, sie zum Schweigen zu bringen. Zu alt, inkompetent und unfähig zu neuem Denken sei die Parteiführung, und ohne eine radikale Überholung und Verjüngung an der Spitze werde Vietnam „Jahre der Finsternis“ erleben, warnten der Historiker Nguyen Khac Vien und andere hochrangige Parteimitglieder im Vorfeld des 7. Parteitags.

Ungewohnt heftig hatten sie gefordert, die Partei müsse sich der Realität stellen, und aufhören, „abstrakte Gedankensysteme als Prämissen zu nehmen“. Leute müßten her, die die Bedürfnisse der Bevölkerung nach sozialer Gerechtigkeit ernst nehmen, und die etwas von Ökonomie und modernen Technologien verstehen, um die versprochene wirtschaftliche Liberalisierung umsetzen zu können.

Eine Veränderung der Führungsspitze hat nun tatsächlich stattgefunden — doch mit Erneuerung hat dies nichts zu tun, von Verjüngung ganz zu schweigen. Die konservativen Kräfte innerhalb der Partei reagierten vielmehr ganz in der spezifischen Tradition der vietnamesischen KP, alle Konflikte durch einen Kompromiß zu „lösen“, bei dem alle das Gesicht wahren, auch die Verlierer. Ex-Generalsekretär Nguyen Van Linh und Außenminister Nguyen Co Thach, Repräsentanten einer Politik der vorsichtigen Liberalisierung und Öffnung an die USA erhielten die Quittung für Versprechen, die sie nicht haben halten können: Trotz aller Zugeständnisse, wie zum Beispiel in der Kambodscha- Frage konnten sie die Amerikaner nicht dazu bringen, das Embargo aufzuheben und Vietnam so wieder international zu rehabilitieren. Sie wurden abgelöst, doch sie fielen weich: Auch die anderen entlassenen Herrschaften behalten ihr Gesicht, sie dürfen nun als „Berater“ fungieren.

Die neuen alten Herren sind ein bißchen konservativer — und ihr Blick ist ein bißchen stärker gen China gerichtet: Denn dort haben die einstigen Erzfeinde vorexerziert, wie man auf alten Wegen die Macht erhält. Dort hat sich weder die Partei erneuert, noch hat sie ihr absolutes Machtmonopol aufgegeben. Sie hält innenpolitisch die Zügel wieder in der Hand, und wird trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen außenpolitisch wieder akzeptiert. „Von China lernen“, heißt also die Devise in Hanoi.

Aber halt, es gibt eine Neuerung: Zum ersten Mal in der Geschichte der vietnamesischen KP ist eine Frau in die Parteiführung gewählt worden. Nun ja. Jutta Lietsch