: Verteidigung: Fünf Jahre Haft für Beer
■ Anwalt Daum: Der RAF-Aussteiger wurde durch die Verhaftung seines Bruders „fehlgeleitet“
Koblenz (taz) — Im Prozeß gegen den RAF-Aussteiger Henning Beer hat dessen Anwalt Reinhard Daum in seinem Abschlußplädoyer eine maximale Freiheitsstrafe von fünf Jahren gefordert unter Anwendung der Kronzeugenregelung und des Jugendstrafrechts. Die Bundesanwaltschaft hatte auf elf Jahre plädiert. Henning Beer selber schwor der RAF-Politik in seinem Schlußwort noch einmal eindringlich ab: „Es war ein Abschnitt meines Lebens, vor dem ich heute mit Entsetzen und Trauer stehe“, sagte Beer, der die RAF als „inhumane“ Organisation bezeichnete.
Daum hatte zuvor ein Bild von Beer entworfen, wonach Henning Beer als 15jähriger durch das Schlüsselerlebnis der Verhaftung seines älteren Bruders und RAF-Mitglieds Wolfgang in die RAF „fehlgeleitet“ worden sei.
Massive Vorwürfe richtete Daum auch an die intellektuelle Szene der siebziger Jahre, die mit ihren Vorgaben mit zur Attraktivität der RAF für „labile“ Menschen wie Henning Beer beigetragen habe. Unter Bezug auf den Besuch von Jean-Paul Sartre bei Andreas Baader im Dezember 1974 und dessen anschließenden Vorwürfen gegen die deutsche Justiz wegen der unmenschlichen Haftbedingungen, meinte Daum: „Es war nicht nur der Irrsinn im eigenen Kopf, der die Weichen“ für Beer zum Weg in den bewaffneten Kampf gestellt habe. Die Rolle Henning Beers innerhalb der RAF beschrieb Daum als „stets am Rande“ und mit „großer Hochachtung gegenüber den anderen RAFlern. „Beer kam mit dem Herzen zur RAF, anders als Lotze oder Maier-Witt, die ihre Entscheidung intellektuell begründeten“, meinte der Anwalt.
Die Beteiligungen Beers an den einzelnen RAF-Anschlägen bewertete Daum im wesentlichen als Beihilfe; so bei den Anschlägen auf die Airbase Ramstein und auf US-General Kroesen. Auch Mittäterschaft für das Attentat auf den Nato-Oberfehlshaber Haig 1979 und den Züricher Bankraub, bei dem eine Passantin erschossen worden war, räumte Daum ein. Den Mordvorwurf der Bundesanwälte für die tödlichen Schüsse ließ er aber nicht gelten. Es sei völlig unbewiesen, ob sie von einem Polizisten oder einem der RAFler abgegeben wurden. Selbst die Anklage hatte eingeräumt, daß Beer nicht mit Sicherheit der Todesschütze sei. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch verkündet werden.
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