: Erinnerung an den vergessenen Faktor Boden
■ Wieder aufgelegt im Gauke-Verlag/ Know-how gegen die Bodenspekulation aus erster Hand
Vor einem Jahr, als der Potsdamer Platz in Berlin an die Daimler-Aktionäre und wertvolle Grundstücke in der Ex-DDR an Stasi-Schergen verramscht wurden, wollte ich mich intensiver über die theoretischen Hintergründe der Bodenrente und Bodenspekulation informieren. In einer Berliner Bibliothek fand ich zwei Autoren, Martin Pfannschmidt mit den Titeln Die Bodenrente (1953) und Vergessener Faktor Boden (1972) und Gustav Bohnsack mit der 55-Seiten-Schrift Gesellschaft, Raumordnung, Städtebau, Grund und Boden (1967).
Ich war begeistert! Denn nachdem das Bodenproblem vergessen schien, fand ich hier zwei Experten, die sich wieder und ausgezeichnet mit diesem Problem auseinandersetzten. Nun ist Pfannschmidts Buch Vergessener Faktor Boden neu erschienen, mit einem Vorwort von Bohnsack. Das Bodenproblem ist besonders aktuell in der Ex- DDR — eine gigantische Goldgrube für Geldanleger und Spekulanten. Um so bedauerlicher, daß dieses Problem von Grünen und Linken weitgehend ignoriert wird und die um die Jahrhundertwende berühmten Bodenreformer Henry George und Adolf Damaschke, an die Pfannschmidt anknüpft, bei ihnen völlig unbekannt sind. Ein Trauerspiel auch bei der Bürgerrechtsbewegung in den neuen Bundesländern, die die Privatisierung ihres Bodens sang- und klanglos über die Bühne gehen läßt.
Boden ist ein unvermehrbares Naturprodukt, das von seinen Eigentümern nur gegen eine entsprechende Knappheitsrente, den Bodenzins, hergegeben wird. Mit wachsendem Reichtum und steigenden Bevölkerungszahlen in den Städten steigen dort, weil Bodenflächen nicht wachsen können, die Bodenrenten und Bodenpreise in schwindelnde Höhen. In Tokio gibt es bereits Grundstücke mit einem Quadratmeterpreis von einer Halben Million DM. Normale Wohnungsmieter und das Kleingewerbe werden aus den Innenstädten vertrieben und müssen Puffs, Bonner Politikern mit Monatseinkommen um 20.000 DM und finanzkräftigen Konzernen Platz machen. Letztere bekommen zudem wertvolle Grundstücke von den Gemeindepolitikern fast geschenkt, wie die Berliner Beispiele Daimler und Sony (siehe taz-Berlin, 27.6.) zeigen.
Pfannschmidt vermittelt uns differenziert und anschaulich die Problematik des Privateigentums an Grund und Boden und die Theorie der Grundrente und er zeigt uns an Hand empirischer Beispiele, wie diesem Relikt aus dem Feudalismus entgegengewirkt werden kann. Er führt Gemeinden an, die Bodenvorratswirtschaft betreiben, um Spekulanten und Bodenwertsteigerungen zuvorzukommen. Dadurch können sie unbehindert von Spekulanten und auf billigem Boden Stadtplanung und sozialen Wohnungsbau betreiben.
Andere Gemeinden erheben eine Bodenwertsteuer, die mit wachsendem Bodenwert steigt und so den Gemeinden regelmäßige und wachsende Einnahmen garantiert, die aus dem arbeitsfreien Einkommen der Grundrentner und nicht aus den Taschen der arbeitenden Menschen fließen. In Dänemark wird auf diese Weise immerhin die Hälfte der Bodenrente zugunsten der Gemeinden abgeschöpft.
Aber Gemeindeland kann auch in Erbpacht vergeben werden, ebenfalls ein marktkonformes Konzept zur Verhinderung hoher Mieten und städtebaulicher Katastrophen.
Pfannschmidts informatives und wissenschaftlich fundiertes und nichtsdestotrotz allgemeinverständliches Werk ist jedermann und jederfrau zu empfehlen, insbesondere jenen Gemeindepolitikern in den neuen Bundesländern, die nicht gemeinsame Sache machen wollen mit Spekulanten und Großkonzernen. Max Weißmann
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