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„Flacher, ironisch lockerer Schreibstil“

■ “Schrecken aus der Trickkiste“ — taz-bremen v. 19.6.91, S. 23

Als Zeuge der von Euch kritisierten Theaterveranstaltung habe ich mich fürchterlich über Euren Schreibstil und den Inhalt der Kritik aufgeregt. Auch ich habe Kritik an „1945“, doch sollte eine Kritik zunächst den Lesern, die bei der Aufführung nicht dabei waren, einen Eindruck über Höhen und Tiefen einer Inszenierung bieten; D. h., eine Beurteilung des Stücks, der Dramaturgie, der Schauspielleistung und der Reaktion des Publikums vornehmen.

Statt dessen bietet die taz Formulierungen, die „Ruf-Mord“-ähnlich die gesamte Theaterarbeit in den Dreck ziehen. Dieser flache, ironisch-lockere Schreibstil ist bei der taz sehr in Mode gekommen. Warum führt Ihr kein Tagebuch, müßt Ihr Euer Geschreibsel unbedingt im Kulturteil der taz veröffentlichen?

Der Versuch, eigene Szenen, Erkenntnisse Bremer Geschichtsgruppen und Texte von Heiner Müller zusammenzuführen, wird als „Sammelsurium“ und „eigenmächtige Verwurstung“ diffamiert. Die Versuche mit Bühnentechnik etwas zu bewirken, können zwar mißlingen, sind deshalb aber noch lange nicht „beliebige Griffe in die Trickkiste spektakulärer Bühneneffekte“. Wenn man sich, aus welchen Gründen auch immer, mit einer Symbolik nicht identifizieren kann, darf man ein gesetztes Theaterbild nicht dermaßen diffamieren wie Eure Schreiberin: „Mal baumelt ein Opfer an Füßen aufgehängt über der Bühne, mal sitzt ein blaßgeschminkter Körper auf einem klapperigen Schrank im Hintergrund der Bühne. Mitgefühl regt sich da allenfalls für die Darstellerin, die sich für die Kunst vergeblich quält.“ Wer sich auf keine theatralische Ebene einlassen will, sollte nicht ins Theater gehen und erst recht nicht über Theater schreiben.

Unverschämt wird eine Kritik dann, wenn die Leistung einer Produktion mit theaterfernen Sinneseindrücken abqualifiziert wird: „Sehenswert war an diesem Abend eher das Naturschauspiel nach der Vorstellung, als die Sonne blutrot über der Waller Heerstraße versank.“

Mit Schlagzeilen wie „Schrecken aus der Trickkiste“ erreicht man nur die Vorurteile des Lesers und nutzt die eigene Position übel aus. Nicht nur bei mir wirft sich die Frage auf, ob man die taz-Kulturredaktion noch bei Theateraufführungen zulassen sollte.

Reinhard Lippelt, Bremen 1

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