Sozis Angst, sich zu blamieren

■ taz-Gespräch mit Horst von Hassel, scheidendem Kulturdezernenten in Brhv.

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Horst von Hassel (Jg.'28), Bremerhavener Kulturdezernent, scheidet im August vorzeitig aus dem Magistrat aus. Im April sollte über seine Nachfolge entschieden werden, doch die SPD vertagte bis nach den Wahlen. Die taz bat von Hassel um ein Resumee.

taz: Trauen Sie sich zu, ein Resumee zu ziehen nach 8 Jahren Kulturarbeit in Bremerhaven?

Horst von Hassel: Ich denke, es ist gelungen, die vorhandene kulturelle Infrastruktur der Stadt in finanziell schwierigen Jahren intakt zu halten. Wir haben Einschränkungen vornehmen müssen, beispielsweise bei der Stadtbibliothek, wo Personal eingespart und eine Zweigstelle geschlossen wurde, aber alle Institutionen — vom Theater über die Bibliotheken bis zum Zoo — sind funktionsfähig geblieben.

Der zweite Punkt: Es ist gelungen, die außerhalb der städtischen Institutionen agierende kulturelle Szene in Bremerhaven nach vorne zu bringen. Wenn ich an das Kulturzentrum Roter Sand denke, das inzwischen auch bei den städtischen Gremien als unverzichtbarer Bestandteil unseres Kulturlebens angesehen und unterstützt wird, dann ist das für mich ein sehr positives Beispiel.

Enttäuscht bin ich, daß es uns nicht gelungen ist, die „Wutwelle“ zu erhalten. Was da die Volkshochschule zusammen mit Radio Bremen aufgebaut hatte, was wir da als selbstverwaltetes Kulturprojekt auf die Beine gestellt hatten, das war vorbildlich und wird überregional inzwischen als beispielhaft anerkannt.

Viele in Bremerhaven Tätige ziehen bis heute Bremen als Wohnsitz vor, weil es ihnen kulturell mehr gibt.

Wir haben es noch nicht erreicht, daß diese Leute in der aktiven öffentlichen Gestaltung unserer Angelegenheiten wirklich auftreten. Da spielt die Stärkung des kulturellen Angebote eine wesentliche Rolle. Der Literaturpreis zum Beispiel ist ein Schritt nach vorn. Für nicht erstrebenswert halte ich einen Wettlauf um Hochkultur. Wo sich das anbietet wie beim Kunstverein, muß es unterstützt werden. Wenn Grothe uns ein Kunst-Museum anbietet, dann muß man das annehmen. Aber es wäre falsch, sich vorzunehmen, etwa im Musikleben Bremen oder anderen Städten Konkurrenz zu machen. Da müssen wir den Standard, den wir haben, erhalten.

Die Sozialdemokraten haben Hochkultur, „bürgerliche“ Kunst, traditionell mit Abstand betrachtet. Wie halten es die Bremerhavener GenossInnen mit Kunst und Kultur?

Kultur hat immer etwas Provozierendes, Verunsicherndes. Wenn vielen der freie, selbstbewußte Umgang damit schwerfällt, dann ist das häufig das Gefühl, das ist alles so schwierig, da hältst du dich mal lieber fern, weil du Angst hast, dich zu blamieren. Darin sind die Sozialdemokraten prototypisch für viele Menschen in dieser Stadt. Interview: Hans Happel