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Umständliche Sprache-betr.: "Weizsäckers Tag von Potsdam", taz vom 24.6.91

betr.: „Weizsäckers Tag von Potsdam“, taz vom 24.6.91

Gibt es irgendwelche Zweifel, das Deutschland den Zweiten Weltkrieg und die Verbrechen dieser Zeit zu verantworten hat? Aber klar gibt es die! Helmut Kohl hat sie in ungebrochener Tradition und in seiner Art am 22.Juni zum Ausdruck gebracht: „Im Angesicht der Verbrechen, die im deutschen Namen und von deutscher Hand begangen worden waren...“

Diese Aussage hat mich nicht überrascht, wie Götz Aly in seinem Kommentar für die Öffentlichkeit annimmt. Denn warum eine so umständliche Sprache, wenn es einfacher geht; wenn ein klarer Sachverhalt in gutem Deutsch ausgesprochen werden kann? Zum Beispiel so: „Angesichts der Verbrechen Deutschlands...“

Eine solche klare Aussage wird wohl niemals über die Lippen von Helmut Kohl, dem Nachgeborenen kommen. Denn maßgebliche Bevölkerungsteile in Deutschland, die durch Typen wie unseren Bundeskanzler repräsentiert werden, wollen bis heute nicht wahrhaben, daß Deutschland den Zweiten Weltkrieg verschuldet hat, zumal es endlich darum geht, „Verantwortung“ in der Welt wahrzunehmen, und Deutschland wieder zu einem „normalen“ Staat zu machen. Da würden solche exakten Nennungen ja nur Skepsis und Zweifel über die anvisierte Rolle aufkommen lassen.

Es gehört zur Natur des Menschen, hat er ein Verbrechen begangen, das er weder leugnen kann noch eingestehen will, diese Schuld mit so vielen umständlichen Worten zu schildern, daß die Schuld unter den Worten verdeckt wird. Es war also nicht ein seltsamer Geist, der den deutschen Namen mißbraucht hat; und es waren keine Handlanger (nach dem Motto schwarze Schafe gibt es in jeder Gesellschaft), die sich daneben benommen haben, sondern es war Deutschland, das diese Verbrechen begangen hat. Geleitet durch seine Offiziere, durch seine Beamten und nicht zuletzt durch sein gutsituiertes Bürgertum. Klaus Dieter Schley,

Wallenhorst

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