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Zaghafte Schritte zur Versöhnung in Angola

Erstmals besuchten Vertreter der angolanischen Regierung das Busch-Hauptquartier der Rebellenbewegung Unita/ Bierdosen und Schulterklopfen unter den Augen der Weltdiplomatie/ Die Überwindung des Krieges wird Jahre dauern  ■ Aus Jamba Willi Germund

Sanft landet die viermotorige Hercules-Maschine auf der Schotterpiste und verschwindet in einer riesigen Staubwolke. „Willkommen auf dem Internationalen Flughafen von Jamba“ heißt es auf einem Spruchband. Flink rennen Unitas wohlbeleibter Vizepräsident Jeremias Chibunda samt Empfangskomitee plötzlich davon, um der Staubwolke zu entgehen, die die Maschine aufwirbelt. Schließlich ist die angemessene Würde wieder hergestellt, im Leib des Flugzeugs öffnet sich eine Tür, und heraus kommt im hellgrauen Anzug, blendendweißen Hemd und mit einer blaugemusterten Krawatte Lopo de Nascimento, Angolas Minister für Verwaltung und Delegationsleiter seiner Regierung in der gemischten Kommission, die den seit einem Monat gültigen Waffenstillstand überprüfen soll.

16 Jahre dauerte Angolas Bürgerkrieg. Am letzten Wochenende überbrückte schließlich ein dreistündiger Flug von der Hauptstadt Luanda die Distanz für ein historisches Treffen. Zum ersten Mal betritt ein Vertreter der linksgerichteten MPLA-Regierung das Unita-Hauptquartier in Jamba. Brüderlich umarmen sich Lopo de Nascimento und Chibunda. „Gut“, antwortet de Nascimento kurz auf die Frage, wie denn der Empfang gewesen sei.

Die Unita hat aufgeboten, was zu bieten ist. Neugekaufte Landcruisers bringen die 70köpfige Delegation über die sandigen Pisten zum Gästehaus. Soldaten haben zum Teil auf dem Kopf Biervorräte aus Namibia herangeschleppt. In einem Flugzeug aus dem südafrikanischen Pretoria kamen neugekaufte Hemden für die Unita-Soldaten an, die beim Staatsempfang Kellner spielen müssen. Die Empfangshalle ist ein geduckter Rundbau mit Schilfdach, zu drei Vierteln in der Erde versenkt — eine Erinnerung an den Krieg, der laut UN-Angaben rund 600.000 Menschen das Leben kostete.

Jahrelang haben sie sich bekriegt, und nun stehen sie sich plötzlich gegenüber: Generäle mit ihren nur schwer zu unterscheidenden Uniformen schlürfen aus Bierdosen, klopfen sich auf die Schultern und plaudern. Bis 1976 von Peking ausgebildet, hat die Unita-Armee von geschätzten 40.000 Mann mit US-Hilfe und der Unterstützung von südafrikanischen und zairischen Truppen den 120.000 Mann starken, von der Sowjetunion ausgebildeten und von kubanischen Truppen unterstützten Regierungsarmee Paroli geboten. Lopo de Nascimento weiß um das trügerische Bild des Treffens in Jamba. „Der Krieg hat tiefe Wunden gerissen“, warnt der enge Mitarbeiter von Angolas Staatspräsident Eduardo dos Santos. Sein Vorschlag: eine Regierung der Nationalen Einheit. Ein Vorschlag, der angesichts der entspannten Atmosphäre bei dem „historischen Treffen“ in dem für die Unita „historischen“ Jamba nicht einmal mehr unmöglich scheint. Zacharias Mundombe, stellvertretender Chef von Unitas Geheimdienst, sieht die Basis für den Willen zur Zusammenarbeit in fünf Gründen: „Nach 16 Jahren Krieg sind die MPLA und die Unita müde. Die Bevölkerung ist erst recht kriegsmüde. Die MPLA weiß, daß sie den Krieg nicht gewinnen kann, die neue Politik in Südafrika hat dazu beigetragen und die Veränderungen in Osteuropa.“

Die MPLA kann nicht mehr auf die Hilfe aus der Sowjetunion hoffen, und auch die kubanischen Truppen sind abgezogen. Unitas Chef Jonas Savimbi muß inzwischen auf die Rückendeckung südafrikanischer Truppen verzichten. Doch Washington will auch in diesem Jahr 20 Millionen an „verdeckter Hilfe“ für Savimbi ausgeben — wahrscheinlich sollen sie zur Vorbereitung für den Wahlkampf im kommenden Jahr dienen, bei denen die Unita einer inzwischen relativ modernen MPLA gegenüberstehen wird.

Für die Sowjetunion, die ebenfalls in der gemischten Überwachungskommission sitzt, spielt die Fortführung der US-Hilfe offenbar keine Rolle. „Das macht keinen Unterschied“, zuckt Wladimir Petukow, sowjetischer Vertreter in der gemischten Überwachungskommission, mit den Achseln. „Der Besuch hier hat gezeigt, daß Luanda bereit ist, Savimbi anzuerkennen. Das war ein wichtiger Schritt.“

Probleme? Die sind vorläufig weitgehend logistischer Art. Angola, ein Land mit neun bis zehn Millionen Einwohnern und doppelt so groß wie Frankreich, ist in weiten Teilen vermint. In drei bis vier Wochen sollen zumindest die wichtigsten Überlandstraßen frei sein. Aber vor ihrem Abzug im Jahr 1975 hinterließen die Portugiesen Minen, die abgezogenen Südafrikaner machten es ihnen nach, Unita und MPLA versteckten Sprengsätze, die Kubaner ebenfalls. „Ich glaube nicht“, fürchtet der Chef der UN-Beobachter, General Ferreira Gomes, „daß alle eine komplette Kontrolle über die Minen haben.“ Im Klartext: Es wird Jahre dauern, bis Angola einigermaßen sicher sein wird — und bis dahin wird es noch zahlreiche weitere Opfer des Krieges geben.

Doch davon ist an diesem Wochenende kaum die Rede. Auch der selbsternannte Vier-Sterne-General Jonas Savimbi, der sich auf den menschenleeren Sandpisten von Jamba mit flackerndem Blaulicht durch den dürren Busch eskortieren läßt, zeigt Zuversicht. „Lopo de Nascimento hat mir versichert, daß seine Regierung den Friedensprozeß fortsetzen will. Das wollen wir auch.“ Ein Hauch von Mißtrauen schimmert dennoch durch, als er droht: „Es wäre unmöglich, ihn wiederzubeleben, wenn er gestoppt wird.“

Nach Luanda will der „Präsident“, wie ihn seine Untergebenen titulieren müssen, noch nicht umziehen. Auf seinen schwarzen, mit einem weißen Elfenbeingriff versehenen Stock gestützt, begründet der Unita-Chef sein Zaudern so: „Es gibt bisher kein Haus für mich.“

Luandas Vertreter Lopo de Nascimento wiederum mochte es am Sonntag mittag nach der langen Nacht eines siebenstündigen kulturellen Programms von Unita nicht mehr im staubigen Jamba aushalten. „Millington“, rief er dem US-Vertreter Jeffrey Millington zu, als er sich am Sonntag mittag zum Protokollbesuch bei Savimbi aufmachte, „Millington, poco tempo“ — mach's kurz, Millington. Der Grund: Die Besucher wollten rechtzeitig zur Übertragung eines Fußballspiels wieder in Luanda sein.

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