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Druck von überall: Treuhand lenkt ein

■ In zähen Verhandlungen konnten Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften die Treuhandanstalt zu Beschäftigungsgesellschaften überreden/ Ein Engagement allerdings mit vielen Einschränkungen

Köln/Berlin (taz) — Die Treuhandanstalt wird sich jetzt doch an Beschäftigungsgesellschaften in den neuen Bundesländern beteiligen. In diesen Gesellschaften sollen ostdeutsche ArbeitnehmerInnen umgeschult und weitergebildet werden (s. Kasten). Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften schafften es gestern in Köln gemeinsam, die Treuhand im zähen Gespräch doch noch zu überreden, sich an Dachgesellschaften mit bis zu zehn Prozent des Stammkapitals zu beteiligen.

Wirklich zum Engagement überzeugen konnten die Sozialpartner die Treuhand allerdings nicht: In der zweiseitigen gemeinsamen Erklärung der Gesprächspartner reiht sich eine Einschränkung an die andere. Schließlich wollte sich die Treuhand ursprünglich gar nicht an den Beschäftigungsgesellschaften beteiligen: Ihre Aufgabe sei es nicht, neue Unternehmen zu gründen, die subventioniert werden müßten, sondern die Privatisierung der ehemaligen DDR-Betriebe zu betreiben, begründete die Anstalt ihre Bedenken.

Die Treuhand konnte gestern durchsetzen, daß den ArbeitnehmerInnen von ihrem Betrieb zunächst gekündigt werden muß. Das jeweilige Unternehmen ist damit seine Angestellten zunächst einmal los. Die Beschäftigungsgesellschaften will die Treuhand so weit als irgend möglich nur mit Räumlichkeiten und Werkzeugen unterstützen. Managementhilfe will die Staatsholding nur befristet bis längstens sechs Monate leisten. Generell will die Treuhand sich nur auf eine klar befristete Beteiligung an den Dachgesellschaften einlassen.

Die Dachgesellschaften, in jedem der neuen Bundesländer eine, sollen „Beratungs- und Dienstleistungsfunktionen für die Organisation von Arbeits- und Qualifizierungsmaßnahmen übernehmen“ und — wenn's denn sein muß — auch „unmittelbar als Träger für derartige Maßnahmen tätig werden“. Die Gesellschaften dürfen private Unternehmen nicht behindern. Und bevor sie gegründet werden, muß zunächst ein klares Aufgaben- und Finanzierungskonzept erstellt werden. Damit dürfte klar sein, daß all jene, die zum 1. Juli arbeitslos geworden sind, nicht sofort und schon gar nicht komplett in Beschäftigungsgesellschaften übernommen werden können.

Für die Einrichtung von Beschäftigungsgesellschaften hatte sich gestern sogar FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff ausgesprochen, sonst bekannt als härtester Marktliberaler auf Bonner Parkett. Beschäftigungsgesellschaften seien angesichts der gegenwärtig sozial angespannten Lage „ein Mittel, das nicht vermieden werden kann“, maulte er nach einer Sitzung des FDP-Bundesvorstandes in Berlin. Der Vorstand der Bundes-FDP billigte auf der Sitzung zudem einen Antrag der fünf neuen Landesverbände, in dem Beschäftigungsgesellschaften „in dieser besonderen sozialen Stuation“ ausdrücklich unterstützt werden. Dieser neue Kurs der Bundes-FDP geht vor allem auf die liberalen Wirtschaftsminister in vier der fünf neuen Länderkabinette zurück.

Der FDP-Chef störte sich vor allem am Wort Beschäftigungsgesellschaften selbst: „Wenn die doch nur nicht diesen schrecklichen Namen hätten“, stöhnte Lambsdorff vor der Presse — und fand Gehör im fernen Köln: Dort wählten die Gesprächspartner gestern das für liberale Ohren nicht gar so obszöne Synonym Arbeitsförderungsgesellschaft, ohne damit etwas anderes zu meinen als eben Beschäftigungsgesellschaft. Auch Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hatte sich vor den Verhandlungen für eine Beteiligung der Treuhand an den Beschäftigungsgesellschaften ausgesprochen. Donata Riedel

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