: Gerangel auf dem Zeitungsmarkt
■ Treuhand will WAZ-Konzern verklagen/ Zeitungsneugründung nicht akzeptiert
Berlin/Gera. Die Neugründung der 'Ostthüringer Zeitung‘ in Gera hat zu einem schweren Konflikt zwischen der Berliner Treuhandanstalt und dem Essener WAZ- Konzern geführt.
Die „Ostthüringer Zeitung“ war am Montag in einer Startauflage von über 200.000 Exemplaren erstmals erschienen. Die Aufmachung der Tageszeitung ähnelt der am Samstag zum letzten Mal herausgekommenen 'Ostthüringer Nachrichten‘ (OTN). Herausgeber des Blattes ist die WAZ-Investitionsgesellschaft GmbH und Co. KG mit Sitz in Gera. In einer Erklärung an die Leser heißt es, daß die — überwiegend von dem alten Blatt kommenden — Mitarbeiter in Redaktion und Verlag „ihr Schicksal erneut in die eigenen Hände genommen haben“. Dies sichere bestehende Arbeitsplätze. Der Neugründung waren erfolglose Privatisierungsverhandlungen vorausgegangen.
Die Treuhand sprach in ihrer Erklärung von einer „trickreichen Inbesitznahme des Abonnentenstammes und des Titels“ durch die WAZ. Dies werde man „keineswegs tatenlos hinnehmen“, sondern „zum Schutze des Eigentums aller Bundesbürger und gegen Übergriffe privater Interessenten“ sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen.
Die Treuhand stelle anheim, ob sich das Verhalten des WAZ-Konzerns „mit dem Anstand eines ehrbaren Kaufmanns deckt“. Durch die Vorgehensweise der WAZ ist nach Vorwürfen der Treuhand „allen Bundesbürgern ein bedeutender wirtschaftlicher Schaden zugefügt worden“, da die Privatisierungserlöse der 'Ostthüringer Nachrichten‘ dem raschen wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands zugute gekommen wäre.
Die Treuhand ist nach eigenen Angaben vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Im Mai sei sie von der Geschäftsführung informiert worden, daß man Abonnentenlisten, Anzeigenannahme, Abrechnung und Vertrieb des Ostthüringer Verlages einer WAZ-Tochter überlassen habe.
Die Verhandlungen mit der Treuhand seien von der WAZ-Gruppe am 28.Juni abgebrochen worden. In ihrer Presseerklärung spricht die Treuhand von einer „offenbar von langer Hand geplanten Abwerbung der Belegschaft“ der 'Ostthüringer Nachrichten‘, wodurch deren Erscheinen in der bisherigen Form unmöglich gemacht und die „sogenannte Neugründung“ erst ermöglicht worden sei. Während die Zeitungsmitarbeiter dem WAZ-Konzern dazu verhülfen, „sich Vermögenswerte von beträchtlicher Höhe unentgeltlich anzueignen“, habe die WAZ sich offenbar bereit erklärt, leitende Mitarbeiter und andere Belegschaftsmitglieder am neuen Unternehmen zu beteiligen.
Die Treuhand verwahrt sich gegen Vorwürfe, sie habe die Privatisierung der 'Ostthüringer Nachrichten‘ verschleppt. dpa
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