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Eine emotional aufgeladene Stimmung

■ „Flügellahme Frittenbude“ — taz v. 28.6.91

Ich beziehe mich auf Ihren Artikel mit dem Titel „Flügellahme Frittenbude“, mit welchem Sie freundlicherweise den Fachbereich Musik der Hochschule bezeichnet haben.

Der bedauerliche Anlaß, ein verstimmter Flügel und ein in den Augen des Prüfungskandidaten und seines Lehrers nicht angemessener Ersatzflügel und Ersatzraum, sollte eigentlich nicht in der von Ihnen praktizierten Weise ausgeschlachtet werden, um die Hochschule, ihre Lehrkräfte und die Qualität der Ausbildung zu diffamieren.

Im vorliegenden Falle wurde von der Prüfungskommission und von mir der Versuch unternommen, eine für alle Seiten akzeptable Lösung des Problems herbeizuführen. Daß dies vor den Augen des anwesenden Publikums erfolgen mußte, liegt daran, daß sowohl ich als auch die — im übrigen pünktlich erschienene — Prüfungskommission eine emotional aufgeladene Stimmung vorfanden. Das Publikum war zu diesem Zeitpunkt, durch wen auch immer, bereits über die Anschauungen des Kandidaten und seines Lehrers informiert.

Die Prüfung wurde im Interesse des Kandidaten verschoben, obwohl nach Ansicht der Prüfer — ausgenommen des Lehrers des Kandidaten — eine Prüfung in dem angebotenen Raum ohne weiteres hätte stattfinden können. Der dort zur Verfügung stehende Steinway- Flügel war in ordnungsgemäßem Zustand und der Kandidat spielt ohnehin auf seinem eigenen Instrument.

Die mir unterstellte Aussage, daß viele Absolventen nicht in der Lage wären, ein öffentliches Konzert zu geben, ist falsch zitiert. Ich habe auf die vehement vorgetragenen Vorwürfe des Lehrers reagiert, die Werbung für die Prüfung seines Schülers wäre nicht aufwendig genug betrieben worden. Die Hochschule könne sich mit der Leistung seines Schülers schmücken. Ich habe erklärt, daß eine Prüfung immer auch die Möglichkeit eines Mißerfolges einschließt. Eine repräsentative Vorstellung im Konzert sollte besser nach einer glänzend bestandenen Prüfung erfolgen. Daraus nun zu schließen, ich würde eine geringe Meinung von der Leistungsfähigkeit unserer Studenten haben, ist eine schon böswillige Unterstellung.

Die Tatsache, daß der Autor des Artikels der Bruder des Prüfungskandidaten ist, erklärt die Qualität und Eigenart der Berichterstattung. Bedauerlich aber ist es, daß gerade die taz eine sonst von ihr immer wieder angeprangerte Verbindung von privatem und öffentlichem Interesse in ihrer Redaktion toleriert.

Kurt Seibert, Sprecher des Fachbereichs Musik

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