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Locken in ewige Leere

■ Studententheater spielt George Taboris „Peepshow“ / Ab heute im Schlachthof

hierhin bitte

das Foto von

der Frau

mit Laken

Orgasmen sind kurz, gemessen an der verbleibenden Lebenszeit dazwischen. Wie kurze Funkverbindungen zur Wärme des Mutterschoßes. Ausgespuckt, befleckt empfangen und blutbeschmiert geboren, sehnt sich der Dichter Willi vorahnungsvoll in die Mutter zurück. Liebe und Ekel, Sehnsucht und Leere, Geilheit und Scham schubsen ihn fortan durchs Leben.

Peepshow, Szenen von George Tabori, spielte das Studententheater der Uni Bremen am Montag abend im Schoß eines engen Seminarraumes der Alma Mater. Auf Tribünen aus gestapelten Tischen und Stühlen drängten sich fünfzig ZuschauerInnen.

Peepshow, von Regisseur Jörg Holkenbrink um die KZ-Szenen reduziert (“Ich würde mich nie trauen, so etwas mit Studenten zu inszenieren“), ist nun die Geschichte eines Dichters, seiner Eltern, seiner Amme, seiner Frau, gespielt von neun Männern und Frauen in wechselnden Rollen. Der zehnjährige Willi und seine Amme — zwei Frauen. Die hölzern bumsenden Eltern — zwei Männer. Willis Neugier ist noch unbeschnitten. Die Amme verbirgt zwar die Eltern vor ihm, zeigt ihm aber lüstern, was ihre Hände in seiner Hose anrichten können und was er andererseits unter ihrem Rock findet. Die jungfräuliche Lustverzückung ist der Anfang aller Lüge und Desillusionierung.

Willi arbeitet und entdeckt Nichtse. Die Mutter bestärkt und bewundert ihn. Das ist die Lust der Frauen. Willi hat auch eine. Ohne sie kann er nicht leben. Hilflos und ungeduldig klammert er sich an den Mutterersatz. Du mußt mir genaue Instruktionen geben! Ich bin Dichter und kein Klempner! Aber lieben kann er sie auch nicht.

Das versetzt sie in rastlose Geschäftigkeit. Soll ich Dich deprimieren? Soll ich dich aufheitern?) Sie holt stampfend Schwung wie eine Dampflok, unermüdlich und hoffnungsfroh — bis zum Zusammenbruch. Willis Liebe ist für sie nur die Erinnerung an ekstatische fünf Minuten irgendwann vor langer Zeit. Inzwischen ist der Kühlschrank kaputt, das Hundefutter stinkt zum Himmel, ich gehe auf die vierzig zu und man weiß nicht, wie's endet — doch: Alles geht kaputt.

Die Amateure vom Studententheater spielen mit ganzer Körperkraft. Unruhe, Stampfen, orgiastisches Zucken, Stöhnen, Schreien, die verzweifelten Ausbrüche, ihre hemmungslose Entblößung - das trifft in den meisten Fällen ins Mark. Nur selten passiert ein Abrutsch in den Slapstick.

Aber wo die eine ZuschauerIn grinst, würgt die andere mit Tränen. Die kokett-lockenden Hüftschwünge der alternden Ehefrau, ins Groteske überzogen, sind so komisch wie tragisch. Ob körperlicher Verfall, Suff, Selbstmitleid und Abstumpfung, schließlich Todessehnsucht und Rückkehr in den Mutterschoß, Tabori bietet für die StudentInnen, die offenkundig nicht nur ein Stück „eingeübt“ haben, eine abenteuerliche Reise durch die Landschaft extremer menschlicher Seelenzustände.

Ein Lichtblick an einem unwirtlichen Ort. Beate Ramm

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