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KATEB YACINE

Kateb Yacine (der Name vor dem Vornamen, wie in der Schule der französischen Kolonialmacht): 1929 in Constantine geboren, algerischer Schriftsteller, für Tahar Ben Jelloun „die mächtigste Stimme des Maghreb“ in diesem Jahrhundert. Bei uns nie wirklich bekannt geworden (trotz der enthusiastischen Stellungnahmen von Dieter E. Zimmer für den 1963 bei Suhrkamp erschienenen Roman Nedschma), in Frankreich schon wieder halb vergessen, in Algerien eine Legende immer noch. Nach einem langen Exil in Europa in seine Heimat zurückgekehrt, schwor Kateb 1971 dem Französischen ab und schrieb nur noch Theaterstücke in algerischem Arabisch und inszenierte sie in Städten und Dörfern des algerischen Ostens. Es gibt die beredte Anekdote, wonach ein alter Mann, ein Bauer, Kateb in einer Straße von Sidi-Bel-Abbès anhält: „Es scheint, du bist ein Schriftsteller. Wenn das so ist, dann setze dich und hör mir zu.“ In einer Gesellschaft mit immer noch hoher Analphabetenrate schien ihm die einzig sinnvolle Rolle des Schriftstellers, auf das gesprochene Wort zu setzen. Später, von der Revolution enttäuscht, über den religiösen Obskurantismus, über die Knebelung der kabylischen Kultur verzweifelt, ging er nach Vietnam, faßte Bewunderung für Ho Chi Minh und schrieb über ihn das Theaterstück Der Mann mit den Gummisandalen. Über Paris kehrte er nach Algier zurück. Am 28.Oktober 1989, 60 Jahre alt, stirbt er mitten in der Theaterarbeit und Forschungen zu den Volksliedern der Berber.

Katebs ganzes Leben war von psychischem und physischem Exil bestimmt. Als Schüler hatte er in Sétif an den blutigen Demonstrationen vom 8.Mai 1945 gegen Frankreich teilgenommen. Er wurde verhaftet. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis darf er nicht weiterstudieren. Eine lange Irrfahrt beginnt, in Algerien, dann in Frankreich. Er nimmt die verschiedensten Jobs an, schreibt, vertritt in Paris die Rechte der algerischen Immigranten, schreibt, besessen von der Vorstellung der unmöglichen Rückkehr in die Heimat und von dem Bild Nedschmas, einer jungen Frau, die er liebte und die in dem gleichnamigen, äußerst komplizierten, in seiner Struktur an Faulkner erinnernden Roman zu dem Symbol des unabhängigen Algeriens wird. In diesem Buch, seinem Meisterwerk, erschienen mitten im Agerienkrieg, setzt Katebs Suche nach seinen Ursprüngen ein, nach der Wiederverwurzelung in die eigene Kultur und in seine Muttersprache. Das Nadhor-Gebirge beim Douar Sfahli im Osten Algeriens, Sitz eines Stammes, dessen Anführer Keblout vor mehr als 150 Jahren gegen die Türken revoltierte, wird zum mythischen Ort der Ahnen.

Nedschma, der zweite, nicht ins Deutsche übersetzte Roman Le polygone étoilé und ein Dutzend Theaterstücke bilden den Kern des schriftstellerischen Werkes. Lyrik hat Kateb vor allem in der Jugend geschrieben, in Algerien und in den ersten Jahren in Frankreich. In ihr sind die Grundmetaphern seines späteren Schaffens bereits wie Matrizen angelegt: die Brutalität der Geschichte, der Kampf gegen Erniedrigung, das Werk als Baustelle, Algerien als Baustelle, die Rückkehr zu den Quellen und die mythische, unnahbare Frau, Reinkarnation der Ahnen vom Dounar Shafli. Joachim Sartorius

Bibliographischer Hinweis:

„Nedschma“, Übersetzung: W.M.Guggenheimer, Frankfurt 1963

„Le Polygone étoilé“, Paris 1966

„L'Oeuvre en fragments“, Paris 1986

Die hier abgedruckten Gedichte hat Kateb Yacine auf französisch geschrieben. Sie wurden von Joachim Sartorius übersetzt und erscheinen erstmals in einer deutschen Fassung.

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