Bonn will nicht in den Sicherheitsrat

■ Beim Besuch von UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar spielte die öffentlich schwelende Frage nach ständiger deutscher Mitgliedschaft im Sicherheitsrat keine Rolle/ Bonn schiebt das Thema weg

Bonn (taz) — „Das Thema ist nicht mal angeschnitten worden.“ Mehr kann der Sprecher des Auswärtigen Amtes nicht dazu sagen, ob Perez de Cuellar in Bonn auch über eine mögliche Mitgliedschaft Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat gesprochen habe. Das verwundert nicht — deutete doch schon im Vorfeld des Besuches des UN-Generalsekretärs alles darauf hin, daß diese Frage gestern und vorgestern dieselbe Rolle spielen würde, wie in den internen Bonner Debatten über die zukünftige deutsche Außenpolitik: nämlich keine.

Dabei hatten sich die Medien der Republik in den vergangenen Monaten sehr ausführlich dieses Themas angenommen, das nach der Wiedervereinigung in jene Diskussion um Deutschlands weltweite Rolle paßt.

Richtiggehend wegzuschieben scheinen dagegen sämtliche Regierungspolitiker die Überlegung, ob Bonn international auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen drängen soll. „Wir werden solches nicht fordern“, sagt man bestimmt etwa in der engsten Umgebung von Hans-Dietrich Genscher dazu, „wir halten uns raus.“ Und auch die außenpolitischen Kreise im Bundeskanzleramt bekunden „praktisch keine Neigung, daraus jetzt ein Thema machen“. Weniger bestimmt klingt freilich, wie dieses Desinteresse an einer Mitgliedschaft begründet wird. Da will man „als Deutscher nicht schon ein Jahr nach der Wiedervereinigung auch noch das fordern“ oder behauptet, „in Ruhe“ abwarten zu wollen, „was so aus Europa in der UNO wird“. Und Bundeskanzler Helmut Kohl hatte vor einiger Zeit unwirsch beschieden, es gebe dringendere Probleme zu lösen.

Tatsächlich ist es keine neue deutsche Bescheidenheit, die die Frage einer möglichen ständigen Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat erst gar nicht richtig aufkommen läßt. Es sind etliche Schwierigkeiten, die Deutschland sich und seinen Verbündeten an den Hals holen würde, begänne es die Diskussion.

„Ein solches Riesenfaß machen wir gewiß nicht auf“, sagt ein Berater des Außenministers, „das hätte nämlich unabsehbare Folgen.“ In Wirklichkeit sind die „unabsehbaren Folgen“ absehbar: Würde die Bundesrepublik einen ständigen Sitz beantragen, bräche der schwelende internationale Streit um den UNO-Sicherheitsrat erst richtig aus: Seit langem kritisieren die Länder der Dritten Welt, daß außer China — mit Frankreich, Großbritannien, der UdSSR und den USA — allein der reiche Norden dieses wichtigste, weil sanktionsbefugte Gremium besetzt. Seit langem fordern drum auch etwa Nigeria, Brasilien oder Indien einen Sitz — und würden natürlich besonders lautstark danach verlangen, wenn nun Deutschland Ansprüche erhöbe. Überdies müßte man, um die Zusammensetzung des Sicherheitsrates zu ändern, die UN-Charta umschreiben. Dieses wiederum erfordert die Zustimmung aller Mitglieder des Sicherheitsrates. Und schon vor Monaten hat allein Frankreich deutlich gesagt, daß es dagegen sein Veto einlegen würde.

„Frankreich wird einer Änderung der UN-Charta nicht zustimmen“, beschied Außenminister Dumas schon vor Monaten. Denn „die UN ist das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges, und die Stellung Frankreichs und Großbritanniens ist die Frucht der siegreichen Teilnahme an diesem Krieg“. Länder wie Deutschland und Italien seien nun Demokratien, aber „reicht das aus, um die Realitäten der Jahre 1939 bis 1945 neu zu schreiben?“. Obwohl es der sowjetische Deutschland-Experte Portugalow gewesen war, der vorgeschlagen hatte, Deutschland solle sich um einen Sitz im Sicherheitsrat bewerben, scheint auch Moskau von einer solchen Veränderung des UN- Gremiums nicht viel mehr zu halten als Paris: Eine Veränderung der Charta sei eine „schwierige Frage, weil sie einen Präzedenzfall schaffe“, beschied der sowjetische Botschafter in Bonn. Und auch in den USA forderten nur wenige Stimmen, Deutschland solle aufgenommen worden.

Freilich hält sich Bonn noch aus aus einem anderem Grund in dieser Frage zurück: Solange man aus innenpolitischen Gründen an militärischen Aktionen nicht teilnehmen könne, könne man auch nicht „auf einen Sitz drängen“, sagt ein Berater von Helmut Kohl. Schließlich verweist man in Bonn auf die EG: Vielleicht sei sie in Zukunft im Sicherheitsrat vertreten. Eine Vermutung, mit der man in der Umgebung von Genscher nur ganz vorsichtig umgeht: „Schwer vorstellbar, daß alle EG-Staaten in Angelegenheiten des Sicherheitsrates nur mit einer Stimme sprechen ...“ ff