: Bomben auf Ljubljana
■ Der Bürgerkrieg ist wieder aufgeflammt. Zum ersten Mal fielen gestern Bomben auf Sloweniens Hauptstadt, im Umkreis des einzigen AKWs des Landes wurde gekämpft. Bundesaußenminister Genscher hat daraufhin seine...
Bomben auf Ljubljana Der Bürgerkrieg ist wieder aufgeflammt. Zum ersten Mal fielen gestern Bomben auf Sloweniens Hauptstadt, im Umkreis des einzigen AKWs des Landes wurde gekämpft. Bundesaußenminister Genscher hat daraufhin seine Jugoslawien-Reise abgesagt.
Kampfflugzeuge der jugoslawischen Bundesarmee haben am Dienstag vier Sendemasten von Radio Ljubljana zerstört. Nach einem weiteren Luftangriff kam es im Zentrum der Hauptstadt zu zwei Explosionen, die bei der Zivilbevölkerung Panik auslösten. Mehrstündige Kämpfe fanden erneut an den Grenzübergängen nach Kärnten sowie in der Nähe des jugoslawischen Kernkraftwerkes in Krsko statt (siehe auch Kasten). Dort hatte eine Panzerkolonne der Bundesarmee eine Barrikade durchbrochen, die sie seit zwei Tagen an der Weiterfahrt hinderte. Bei der Beschießung durch die Bürgerwehr soll die Hälfte der vierzig Panzer vernichtet worden sein. Diese forderten daraufhin Verstärkung an, nach Angaben des slowenischen Rundfunks wurden 15 Panzer „im Schnelltempo in Marsch gesetzt“. Auch die kroatischen Flughäfen in Zagreb, Pula und Zadar sind jetzt geschlossen, der Luftraum in einer Höhe bis zu 10.000 Metern wurde in diesen Regionen gesperrt.
Um eine weitere Ausweitung der Kampfhandlungen zu verhindern, reiste der neugewählte Staatspräsiden Stipe Mesic, der zugleich Oberkommandierender der Streitkräfte ist, nach Ljubljana. Sloweniens Verteidigungsminister Janez Jansa machte Belgrad dafür verantwortlich, daß eine gemeinsame Arbeitsgruppe, die den Rückzug der Armee in die Kasernen überwachen solle, bisher nicht gebildet wurde. Die Armee verhalte sich anders, als die Absprachen hätten erwarten lassen. Der Generalstab der jugoslawischen Armee hatte in der Nacht zum Dienstag mit dem „Einsatz der gesamten Kampfkraft“ gedroht, falls Slowenien die „fortdauernde und einseitige Verletzung“ des Waffenstillstandes nicht beende. Voraussetzung für eine Rückkehr in die Kasernen sei der zeitgleiche Rückzug der slowenischen Bürgerwehr. Diese hatte dagegen die vollständige Entwaffnung der jugoslawischen Einheiten gefordert.
Nach Angaben des slowenischen Informationsministers Jelko Kacin wurden in den vergangenen fünf Tagen insgesamt 1.277 Armee-Soldaten gefangengenommen. 782 Offiziere und Soldaten, zumeist slowenischer Herkunft, seien übergelaufen. Insgesamt sollen von 24.000 in Slowenien stationierten Soldaten 4.000 in den vergangenen Tagen eingesetzt worden sein. Abgelöst wurden unterdessen der Oberkommandierende der Volksarmee für Slowenien und Kroatien sowie der Luftwaffenchef des Bezirks.
Wegen der erneuten Kampfhandlungen in Slowenien hat Bundesaußenminister Genscher einen geplanten Besuch in Ljubljana, wo Gespräche mit den Präsidenten Kroatiens und Sloweniens stattfinden sollten, kurzfristig abgesagt. Stattdessen traf er mit dem slowenischen Präsidenten Kucan im österreichischen Villach zusammen. Dabei bestätigte Kucan erneut die Unabhängigkeit seiner Republik: „Mit dem dreimonatigen Moratorium wollen wir Verständnis dafür wecken, daß der von der Armee zerbrochene Krug nicht mehr zusammengeflickt werden kann.“ Das Plebiszit der Bevölkerung sei nicht rückgängig zu machen und nicht anzuzweifeln. Von dem heute beginnenden Treffen der hohen Beamten der KSZE in Prag erwarte er die Entsendung ziviler und militärischer Beobachter.
Genscher vertrat dagegen die Ansicht, daß im Rahmen der EG nur über politische Beobachter gesprochen werden solle. Gegen ihren Einsatz sehe er nach den Gesprächen mit dem jugoslawischen Präsidenten Mesic, Außenminister Loncar, Ministerpräsident Markovic sowie dem serbische Präsidenten Milosevic keinen Widerstand.
Abgelehnt wurde eine Entsendung von Beobachtern dagegen von dem in Wien tagenden Konsultativausschuß des KSZE-Konfliktverhütungszentrums. Einstimmig verabschiedet wurde lediglich die Forderung nach sofortiger Einstellung der Kampfhandlungen. Die Mehrheit der Delegierten wies außerdem die heftigen Vorwürfe des jugoslawischen Vertreters zurück. Er hatte Österreich beschuldigt, durch die Truppenkonzentrationen an der Grenze sowie durch „Waffenlieferungen und Propaganda“ Slowenien unterstützt zu haben. her
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