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„Keine Handlungen gegen Unternehmensinteressen“

■ Tribunal gegen die Bremer Lagerhausgesellschaft / Am Freitag Aktionärsversammlung und Urteilsverkündung

Beihilfe zum Völkermord, Verstoß gegen die Menschlichkeit, Beihilfe zur Zerstörung überlebensnotwendiger Umwelt — die Anklagepunkte, die am Dienstag abend auf den Tisch des Bürgerhauses Weserterassen kamen, waren ein öffentliches Tribunal wert. Angeklagt, an diesen Punkten mitschuldig zu sein und so gegen UN-Bestimmungen verstoßen zu haben, war die Bremer Lagerhausgesellschaft, BLG. Organisiert wurde das Tribunal von der „Bremer Kampagne 1992“, die angesichts der im nächsten Jahr anstehenden Jubelfeiern zur „Entdeckung“ Amerikas mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen auf die weltweiten Folgen von 500 Jahren Kolonialismus hinweisen will.

Und warum BLG? „Wir wollen nicht nur auf ferne Strukturen verweisen, sondern auch hier Anstöße geben“, sagte eine der Vorsitzenden des Tribunals. „Was die BLG tut, ist ethisch unvertretbar und daher zu verurteilen.“ An drei Punkten sollte das Tribunal diese These belegen. Am Futtermittelimport, der Vernichtung des Regenwaldes und dem Rüstungsexport. Dazu waren neben den Anklägern jeweils Zeugen und Sachverständige geladen. Wie der Wesermarsch-Bauer Gerd Koldewey: Der erzählte, das seit 1945 1,2 Million Bauernhöfe in Deutschland aufgegeben worden sind, und täglich kommen 24 weitere dazu.

Der Grund: Die riesigen Agrarfabriken lassen den kleinen Betrieben kaum eine ökonomische Basis. Und diese Agrarfabriken können nur deshalb so extensiv arbeiten, weil dafür Futtermittel aus den Drittwelt-Ländern eingeführt werden, 1990 allein eine Million Tonnen über die bremischen Häfen. In den Anbauländern werden ganze Landschaften zu Monostrukturen umgebaut. Und wenn dann, wie jetzt in Thailand, die Futtermittel aus den Industrienationen nicht mehr so stark nachgefragt werden, können dort nur die Großunternehmer mit ihrem Raubbau an der Natur ökonomisch überleben. Die Massen der Lohnarbeiter wandern aus den Dörfern in die Slums der Großstädte ab.

Ähnliches schilderten Indios aus Brasilien, die zum Thema Tropenholz als Zeugen gehört wurden. Hier ist die Bremer Firma Röchling im Tropenholzimport europaweit führend. Zu einer Urteilsverkündung kam es am Dienstag noch nicht. Das soll am Freitag morgen nachgeholt werden, wenn sich Aktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat der BLG in der Stadtwaage, Langenstraße, zur Aktionärsversammlung treffen. In den Weserterrassen hing ein Transparent an der Wand, das dem Vorstand als Leitlinie für seinen Bericht gelten kann: „Handlungen, die dem Unternehmensinteresse widersprechen, liegen nicht vor.“ hbk

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