Pech und Pannen

■ Die blamable Chronik der Amtszeit Gies

Gerd Gies (CDU) war zweifellos der farbloseste unter den Regierungschefs der neuen Länder. Immer wieder beklagten er und sein Regierungssprecher Michael Gentsch, daß Sachsen-Anhalt und seine Regierung keinerlei Widerhall in den überregionalen Medien fanden. Geisterte dies doch einmal durch den bundesdeutschen Blätterwald, so war das zumeist die Folge von Pleiten, Pech und Pannen seiner Regierung. Das gute halbe Jahr der Amtszeit ist eine Chronik von Flops, die auch ein noch so guter Öffentlichkeitsarbeiter kaum als Erfolge der Regierung hätte verkaufen können.

Schon seine Kabinettsliste war das erste gebrochene Wahlversprechen. Er werde ausschließlich sachsen-anhaltinische Politiker berufen, hatte Gies großspurig angekündigt. Die Realität sah dann ganz anders aus. Mit Horst Rehberger (Wirtschaft), Werner Schreiber (Soziales), Walter Remmers (Justiz) und Werner Münch (Finanzen) besetzte Gies die Schlüsselressorts seines Kabinetts mit Westimporten.

Reden zu halten, danach drängelte sich der Ministerpräsident nie. Wenn er aber doch ans Rednerpult mußte, dann stand dort mit Sicherheit auch ein riesiges Fettnäpfchen, in das er prompt hineinlatschte. So beschimpfte er den Fraktionschef von Bündnis90/ Grüne, Hans-Jochen Tschiche, in einer Landtagssitzung, die Medien als „Terrorinstrument“ zu mißbrauchen, und stellte den ausgewiesenen Gegner des SED-Regimes auf eine Stufe mit den Politbüro-Bonzen Hager und Hermann. Seine eigene staatstragende Rolle als Blockflöte (siehe Artikel oben) verdrängte er dagegen mit großer Vorliebe.

Wie hoch er die Funktion des Parlaments in einer Demokratie einschätzte, bewies Gies schon mit einer ganz kleinen Fehlleistung. Als der Landtag über Bonn oder Berlin als Hauptstadt abstimmen sollte, betrat Gies noch vor der Abstimmung die Rednertribüne und dankte den Abgeordneten für ihr Berlin-Votum. Das gaben sie zwar anschließend tatsächlich ab, aber nur mit einer denkbar kleinen Mehrheit.

Gies ist der Prototyp eines Beamten, und selbst in CDU-Kreisen war immer wieder zu hören, daß der Ministerpräsident und CDU- Landesvorsitzende wohl ohne seinen Ziehvater Helmut Kohl nichts geworden wäre. Zwar stellte Gies gern politische Gegner mit dem politischen System der ehemaligen DDR gleich, Verwalten liegt ihm, Gestalten dagegen weniger. Sein einziges wirklich politisches Vorhaben blieb ein Rohrkrepierer. Als einsamer Rufer selbst in der CDU- Wüste verlangte Gerd Gies von der Bundesregierung, auch die zwischen 1945 und 49 enteigneten Besitztümer und Liegenschaften an die Besitzer oder ihre Erben zurückzugeben. Schon bei seinem Vorstoß war absehbar, daß das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Klage ablehnen würde.

In der letzten Kabinettssitzung vor dem Rücktritt beschränkte sich der Regierungschef darauf, seine „beeindruckenden Erlebnisse“ bei der Eröffnung des Musikfestivals von Schleswig-Holstein zu referieren. Selbst seinen von der CDU- Fraktion erzwungenen Rücktritt verklärte er noch: Seine Regierung könnte auf eine gute Bilanz zurückblicken und habe das Land Sachsen-Anhalt an die Spitze der neuen Länder gebracht. Mit den Vorwürfen aus der CDU-Fraktion habe sein Rücktritt gar nichts zu tun. Womit aber dann, fragt sich Eberhard Löblich