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Denen ist nix heilig

■ Parodien von Peter Hiller und Partner im BKA

Die beiden Herren in dunklem Anzug und weißem Hemd sehen eigentlich ganz seriös aus, sieht man von der Sonnenbrille und dem winzigen Zöpfchen des einen ab. »Die unheimliche Begegnung der Männer mit ihrer Art« lautet das etwas irreführende Motto des Abends. Doch statt satirischer Männergruppenbekenntnisse ertönt zunächst alpenländisches Jodeln, und dann wird es doch noch sehr nett.

»Gute Nacht, Freunde, es wird Zeit für Euch zu geh'n... Für den Ärger, den Krach unter meinem Dach habt Dank...« Peter Hiller und sein sonnenbebrillter Partner Frank Bartels verbreiten finstere Umdichtungen bodenständigen Liedgutes mittels perfekter Harmoniegesänge und zweier Gitarren. Der Parodist der beiden ist Peter Hiller, der vor nichts zurückschreckt, was das Showgeschäft an männlicher Innerlichkeit zu bieten hat.

Und das ist eine ganze Menge. Zum drögen Blick gibt's Adamo mit dem typischen Kiekser in der Kehle. Ob Herbert Gröhlemeyer oder Peter Muffig, Udo Lindenberg oder André Heller, alle haben sie ihre unverwechselbaren Verkrampfungen auf der Bühne. Wer hätte das gedacht. Alsbald hebt ein fröhliches Künstlerraten zwischen mir und meinem Begleiter an. Den beiden auf der Bühne ist nix, aber auch gar nichts heilig und so gibt es »für die ewig jung gebliebenen« (Ich bin anders als alle, denn ich trage nur Jeans!«) Wunderkerzen und »Dill in meinen Haaren«. Zu diesem Behufe wird dann sogar eine Mundharmonika hervorgekramt. »The answer is shitten in the wind...« heißt es später sinnig bei einem düsteren, gekonnt geheulten Country-Song voller Mord und Totschlag.

Freunde der gehobenen Kleinkunst und des höheren Schwachsinns kommen hier voll auf ihre Kosten. Mit »Mitleid at Midnight« leiten die beiden den von ihnen liebevoll »Suizid-Block« genannten Programmteil ein, und das wäre glatt eine Zeile für den Senatsrockwettbewerb, der an gedichteten Peinlichkeiten ja auch nicht gerade arm ist.

An einen der früheren Juroren, an Max Goldt, gemahnt der wunderbare Beitrag über die »Gedanken der Sandra Schulz beim Umtopfen ihrer Alpenveilchen«. Hier wird es schlicht genial blöd, wie auch bei der Jandl- Nachdichtung der »Hymne in W«: »Wir wollen wieder Wollust! Wahnsinn!« Weitere Wortbeiträge wie eine Märchenparodie und vor allem die Gedichte des »Otto Schramm« lockern den Showteil auf, ohne für Lachpausen zu sorgen.

Peter Hiller und Frank Bartels kommen aus dem Osten Berlins, und das ist im Programm an ihrer Abneigung gegenüber rhythmischem Klatschen und ihrer Vorliebe für erwähnten Otto Schramm zu entnehmen. Der ist »Träger der roten Mainelke« und Dichter von so tiefgründig Gereimten wie dem »Staubsauger«: »Ob rund, ob eckig, innen ist er immer dreckig«. Proletarisch Schlichtes wie »Rumpeldipumpel, in den Schacht fiel der Kumpel / Erde drauf, Glückauf!« regt zu Nachdichtungen an.

Alles in allem ein weniger unheimlicher als unglaublich unterhaltsamer Abend für die Freunde und Freundinnen der männlicher Kulturschaffenden. Pia Rehberg

Fr-So, 20.30, BKA (Mehringdamm)

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