: Die Trottel und Archbishop Kebab
■ All you need is eine Revolution!
Warum wollen die Leute immer Revolution machen, Barrieren einreißen und zueinander finden? Aus Liebe? Vielleicht. Zumindest diejenigen, die es mit Sartre halten wollen, sollten lieben. So wie er es in seinem Theaterstück »Die schmutzigen Hände« verständlich zu machen versucht. Der tragische, im Grunde etwas zu menschliche, gute Parteifunktionär Hoederer (der gute Kommunist, Typ Gysi) sagt darin zu Hugo (muffeliger, junger Künstlerintellektueller, Typ Punkrocker): »Du hast die Menschen nicht lieb«, und Hugo sieht es wenig später schon ganz ähnlich: »Niemand liebt mich«. Dann erschießt er Hoederer — ais Eifersucht, wegen einer Frau. So gewinnt man natürlich keine Revolution.
Public Image haben auf ihrer letzten LP zum Schluß gesungen: »We only wanted to be loved« und einen Disco-Beat daruntergelegt. Da war Punk schon tot und die Revolte bereits bis auf weiteres verschoben. Die Trottel, eine vierköpfige Band aus Budapest, machen weiter Musik aus Liebe zur Revolution. Denen geht es teilweise ähnlich wie Hugo, die wollen auch, was alle wollen, daß was passiert, ohne gerade die zu meinen, denen es passiert. Sie singen vom Leben, das nicht mehr lebenswert sein kann, wenn Schmutz und Verfall die Zeichen der Unterdrückung sind. Das erlebt man in der U-Bahn täglich, dafür haßt man die Leute (kein aufrechter Nietzscheaner würde seinen Morgenhorror im Zombiezug vermissen wollen). Die Trottel halten trommelfellklopfend mit Endzeitdramen dagegen. Triste und traurige Bilder, nichts ist mehr schön, es sei denn, man tut es. Hört Hardcore, Punk und Metal. Die spielen die Trottel selbst sehr schön, Ildi singt wie eine Gossenheilige von der Angst, die als einziges noch wie ein Funke von Mensch zu Mensch springt. Manchmal singt sie das minutenlang, punkmeditierend, und die Band spielt Voivod, Jazz und dunkle Lieder.
Archbishop Kebab machen aus der Revolution erst einmal wieder Liebe, und das gleich im Vorprogramm. Mit zwei thrashenden Gitarren, einer ekstatisch sirrenden Geige und orgiastischem überstürzgesang. Ihre Liebe ist unberechenbar. Manchmal hören sie mittendrin auf, ein Break, dann folgt Folklore, das macht Spaß, passiert aber leider viel zu selten auf der U8 zwischen Wedding und Kreuzberg. Am Abend sichern Archbishop Kebab vor den Trotteln wenigstens für ein paar Stunden Hugo-Anhängern vor einer weiteren Dummheit. Eßt mehr Gysi! Harald Fricke
Um 22 Uhr im K.O.B.
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